Wasser in seiner schönsten Form


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Wasser in seiner schönsten Form

Rein evolutionstechnisch besitzt die Spezies Mensch so viele Konstruktionsmängel, dass man sich mitunter fragt, wie er es so weit bringen konnte. Nicht nur, dass er nicht selbst fliegen kann, nein, viel gravierender ist es, dass er darauf angewiesen ist, dauernd etwas zu trinken.

Während ein Kamel beispielsweise sieben Tage ohne Wasser auskommt macht der Mensch ohne Aufnahme von Flüssigkeit schon nach spätestens zwei Tagen schlapp. Schwer vorstellbar heute, da fließendes sauberes Wasser aus der Wand kommt und man im Supermarkt das lebenserhaltende Nass in Flaschen palettenweise kaufen kann – die Suche nach Wasser, nach Trinkbarem, war bis vor gar nicht so langer Zeit eine Überlebensfrage. Und, nicht nur nebenbei bemerkt, in vielen Ländern ist sie das auch heute noch, wir in Mitteleuropa sind in dieser Hinsicht eher die Ausnahme denn die Regel.

Die größte Kunst bestand darin, Flüssigkeit haltbar zu machen, damit man sie dann trinken konnte, wenn man es brauchte. Als Angebot stand den Menschen anfangs zunächst einmal Wasser zur Verfügung, Regenwasser, das man sammelte oder solches aus Flüssen und Binnenseen, das aber auch nicht immer und überall, und das, wenn man am Fluss etwas weiter abwärts wohnte, merkwürdige Dinge von den Anwohnern weiter oberhalb enthalten konnte. Außerdem gab es Milch, wenn sich in der Region, wo man lebte, Kühe, Schafe oder Ziegen halten ließen. Und nicht zuletzt konnte man aus manchen Früchten Saft gewinnen. Nicht gerade eben ein reiches Angebot, noch dazu, da Milch und Saft auch nur sehr kurz haltbar waren.

Wahrscheinlich wäre das nicht lange gut gegangen, wenn sich nicht zwei Künste entwickelt hätten, die der Menschheit vielleicht das Überleben gesichert haben: Die Bierbrauerei und das Herstellen von Wein, der durchaus nicht nur aus Weintrauben gewonnen werden muss, dazu konnte man jede Art von Obst und den daraus gewonnenen Most verwenden.

Wie gesagt, zunächst ging es ums Überleben, aber dann stellte man fest, dass das Ergebnis der Bemühungen, wenn man Sorgfalt und ein paar besondere Kunstgriffe anwendete, durchaus schmackhaft sein konnte, und einen Rausch gab es noch oben drauf. Und wenn dann jemand ein neues Verfahren entwickelte, das das Getränk noch schmackhafter machte, dann konnte er sich lobend auf die Schulter klopfen, der Menschheit einen Gefallen getan zu haben. Jener Mönch beispielsweise, der nach 1666 das Verfahren zur Flaschengärung von Wein entwickelte und damit die Grundlage für die Herstellung von Schaumweinen lieferte, wird in Frankreich und insbesondere in der Champagne nahezu als Heiliger verehrt. Sein Name: Dom Pérignon, heute eine bekannte Champagnermarke.

Bier oder Wein wurde in nahezu allen Regionen der Welt entwickelt, in den verschiedensten Varianten und abenteuerlichsten Geschmacksrichtungen hergestellt, sogar zur Kinderernährung verwendet, man hatte ja nichts anderes. Und wir haben heute das Vergnügen, zumindest beim Wein (beim Bier ist heute weltweit viel Einheitsbrühe auf dem Markt, mit den Craft-Bieren kommt erst langsam wieder Abwechslung und ein wenig der ursprünglichen Vielfalt in den Handel) die verschiedenen Anbaugebiete und Produktionsmethoden kennenlernen zu dürfen.

Eines der merkwürdigsten Weinbaugebiete findet sich auf Lanzarote. Das ist schon deshalb bemerkenswert und nahezu abenteuerlich, weil die Insel kein Grundwasser besitzt, also ohne künstliche Bewässerung gar keine Landwirtschaft möglich ist. Und dann ist Lanzarote in den vergangenen Jahrtausenden immer wieder von gewaltigen Vulkanausbrüchen betroffen worden. Zum letzten Mal geschah dies vor etwa 280 Jahren, in geologischen Maßstäben gesehen also erst gestern, wobei der südliche Teil der Insel nahezu komplett mit einer dicken Schicht aus Lava und Vulkanasche bedeckt wurde.

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Doch dann stellten die Inselbewohner plötzlich fest, dass dieser Fluch auch ein bisschen Segen brachte. Die schwarze Vulkanasche war nämlich in der Lage, Flüssigkeit wie den seltenen Regen oder den Morgentau, aufzunehmen, zu speichern und allmählich wieder abzugeben. Eine ideale natürliche Bewässerungsmethode, nicht nur für Wein. Nur wurzelt der nicht in dieser Asche, dazu muss man bis auf den Mutterboden graben und den Rebstock dort einsetzen. So hat jede Pflanze ihren eigenen Trichter, manche sind bis zu sechs Meter tief, und oben wird auf die Nordseite noch ein kleines Mäuerchen aus Lavasteinen als Schutz gegen den Nordwind gesetzt – das verleiht der Landschaft einen wirklich außergewöhnlichen Anblick.

Diese Landschaft, schwarz und mit unzähligen kleinen Kratern übersät, die sich weit an den Hängen der nunmehr stillen ehemaligen Vulkane hinaufziehen, diese Landschaft hat so gar nichts mit dem zu tun, was man sich gemeinhin unter einem Weinberg vorstellt. Und doch liefert sie einen Wein, der das Probieren allemal wert ist.

Der Wein, vorwiegend Weißwein, es werden aber auch Rotweine angebaut, hat einen intensiven und eigenen Geschmack, mineralisch und auch dadurch geprägt, dass einige Rebstöcke bis zu 200 Jahre alt sind – die Reblaus ist einer der wenigen Schicksalsschläge gewesen, die Lanzarote erspart geblieben sind. Und einige Winzer dort bestehen auch darauf, traditionelle Rebsorten wie Malvasia anzubauen und den Wein nicht mit den üblichen Verdächtigen wie Merlot, Shiraz oder Sauvignon zu verschneiden – die könne man schließlich überall haben. Der Geschmack ist daher wohl auch nicht jedermanns Sache, und das ist auch gut so, denn wenn dieser Wein allen so gut schmecken würde wie mir, dann wäre er bei der geringen Menge, die dort jährlich produziert wird, bald so teuer, dass ich als kleiner Reiseleiter ihn mir nicht mehr würde leisten können.

Und da wir nun schon auf der kanarischen Inseln sind, empfehle ich zum Wein frische Kartoffeln mit der kanarischen Universal-Soße Mojo rojo (gesprochen: mocho rocho) – heute also sogar ein veganes Rezept. Die Kartoffeln, wenn es schon keine von den Kanaren sind, sollten frisch und mit der Schale essbar sein. In kräftigem Salzwasser gar kochen und die Soße dazu reichen. Ich gebe hier nur die Zutaten an, die genaue Dosierung muss jeder für sich selbst nach seinem eigenen Geschmack ausprobieren – aber schon dieses Probieren kann sehr schmackhaft sein.

Man nimmt also einen Mörser, am besten aus Stein und zerstößt darin in der folgenden Reihenfolge:

  • Knoblauch
  • grobes Salz
  • getrocknete Chilischoten
  • Kreuzkümmel
  • Paprikapulver (edelsüß)
  • dazu kommt Essig (möglichst hell, ich nehme weißen Balsamico)
  • und gutes Olivenöl bis eine dickflüssige Masse entsteht

Wie gesagt, die genaue Dosierung muss jeder für sich selbst herausfinden. Lediglich mit dem Salz und dem Essig sollte man bei den ersten Versuchen sehr vorsichtig sein, eher erst einmal etwas weniger davon zugeben. Gibt man zu viel Essig daran, ist die Soße nicht mehr zu retten… Wenn man einmal sein eigenes Rezept gefunden hat, dann kann man sie zu allen herzhaften Sachen reichen, neben Kartoffeln schmeckt mir die Variante mit Käse oder mit Crackern am besten.

So, und nun gönne ich mir ein Gläschen Wasser in besonders schöner Verarbeitung und freue mich schon darauf, dass meine nächste Tour nach Frankreich geht, Burgund, Champagne, Médoc, Languedoc, Côtes du Rhone und als Zugabe sogar Cognac und die Bretagne, wo der Wein und der Schnaps aus Mangel an Weinreben aus Äpfeln gemacht werden – es gibt Momente, wo ich voller Überzeugung behaupten könnte, dass Reiseleiter die schönste Erwerbstätigkeit der Welt ist.

 

 

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