Was unbezahlbar ist …


Was unbezahlbar ist…

  1. Essay, Fortsetzung II:

Rückblende: Im ersten Teil der vier Essays stellte ich der Frage „was ist unbezahlbar?“ zunächst die Frage „was ist käuflich?“ zur Seite, und warf ein erstes Schlaglicht auf die „kurze Geschichte des Geldes„. Denn Geld als Zahlungsmittel löste im siebten vorchristlichen Jahrhundert den Tauschhandel von Waren und Gütern ab, auch wenn dieser von Kolonialherren und Handelskompanien auf einigen Kontinenten noch bis ins 18. und 19. Jahrhundert beibehalten wurde (z.B. Tauschhandel mit den „First Nations“ in Nordamerika und Canada; in Afrika: Sklaven;).

Hieran schloss sich skizzenartig die „Entwicklung von Waren und Handel; frühe Märkte und Fernhandels-Routen“ an. Scherenschnittartig wurden Waren und einige Fernhandels-Routen des antiken Griechenlands sowie des Imperium Romanum dargestellt.

In der ersten Fortsetzung der Essays zeigte ich die enorme Wichtigkeit der fernöstlichen Gewürze und des Gewürz-Handels für die europäische Wirtschaft des frühen 16. Jahrhunderts. Der „Gewürz-Handel als das Schwungrad europäischer Expansionsbestrebungen“ wurde vorgestellt. „Freier und geschützter Handel“ machte aus Kaufmannsgilden wie etwa dem norddeutschen Hanse-Bund, aus Handelshäusern und Patriziern wie den Medici, den Fuggern und Welsern sowie den frühen Handelskompanien Machtfaktoren innerhalb von Königreichen/ital. Republiken und läutete für beide Seiten ein „Goldenes Zeitalter“ ein. Einerseits frei im Handel und zudem gleichzeitig durch königliches Kolonial-Recht bzw. Monopol-Privileg geschützt, konnten „Kaufmannsgilden und Handelskompanien — [die] Rohstoff-Ausbeutung des frühen 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts“ ungehindert vorantreiben. Sowohl die Schatullen der Handelshäuser als auch die königlichen Schatztruhen quollen über aus den Handels-Gewinnen bzw. den Abgaben der Kolonialgebiete (z.B. Gold und Silber, vgl. die Geschichte des bolivianischen Potosí). Jedoch, wie immer, wenn des Menschen Habgier grenzenlos geworden ist, so führten damals wie heute diese Ausbeutung von Natur und Mensch in die ersten lokalen wie auch globalen Katastrophen (lokal: etwa der Dammbruch der Mine bei Potosí, 1626, der die Stadt überschwemmte und gleichzeitig den Fluss Río Pilcomayo sowie den Río Paraguay mit Quecksilber verseuchte; oder aber die Bison-Jagd in Nordamerika; globalder exzessive Walfang sowie der Sklaven-Handel).

 

Aussicht: Im nachfolgenden dritten Essay soll der Frage nachgegangen werden, ob es überhaupt noch irgendetwas „zwischen Himmel und Erde“ geben könne, das nicht käuflich wäre, wenn doch bereits seit 2.500 Jahren alles, was bis dato erfunden oder auch vorgefunden wurde (Bodenschätze, Pflanzen, Tiere und auch Menschen…), in eine Handels-Ware umfunktioniert wurde und als käuflicher Artikel in den „Markt“ eingespeist werden konnte und heute noch immer oder auch schon wieder eingespeist wird. Was könnte — in diesem Moment — nicht käuflichund deshalb unbezahlbarsein…—?

 

Der „globalisierte, digitale Marktplatz“ — das Universum der Algorithmen:

Schlagen wir zur Erinnerung an bisher Dargelegtes ein letztes Mal einen „roten Faden“ ums gestellte Thema: Materielle Warenund Güterwaren bereits in der Antike mittels Geld käuflich. Der „Marktplatz“ war über eine Zeitspanne von mehr als 2.500 Jahren hinweg stets ein konkreter Ort im Mittelpunkt einer Stadt gewesen, etwa eine „Agorá“ im Zentrum einer Polis, an dem Handel getrieben und Waren umgeschlagen bzw. verkauft wurden. Dann, in der beginnenden Neuzeit, wurde Wissenkäuflich und zur Macht — nun waren die Studierzimmer der Kartographen und die geheimen Seehandbücher der Kapitäne und Piloten im übertragenen Sinne zum „Marktplatz des Wissens“ geworden. Binnenmärkte und Fernhandel beeinflussten sich wechselseitig und bestimmten einander maßgeblich: Angebot, Nachfrage, Preis. Es entstanden durch Fernhandels-Kompanien erste globale Markt-Strukturen. Danach, in der „ersten Industriellen Revolution“ um 1850, explodierte das technisch-mechanischeWissenund vervielfältigtedas käufliche Warenangebotexponential; Rohstoffe wie etwa Wolle und Baumwolle wurden fortan mechanisch zu tausenderlei Waren und Mustern weiterverarbeitet. Der Merkantilismus des 16. bis 18. Jahrhunderts entwickelte sich in England zum sog. „Manchesterliberalismus“ des frühen 19. Jahrhunderts weiter, einer besonderen Wirtschaftsform des Frühkapitalismus, der Landflucht, Verstädterung mit Bildung von Slums sowie Ausbeutung und Verelendung / „Pauperismus“ der Fabrik-Arbeiter (Männer, Frauen und Kinder…) zur Folge hatte. In frappanter Weise ähnelt die heutige Wirtschaftsform der sog. „Globalisierung“ mit ihrer allgegenwärtigen „Deregulierung“, ihren diversen Freihandelsabkommen, ihrem manipulierenden-marketingartigen Credo vom „freien Spiel des Marktes als globales Regulativ“ sowie der ungebremsten Ausbeutung von „Ressourcen“ (ehem. „Rohstoffe“) und Menschen (vgl. moderne Arbeitssklaven) dem „laissez-faire“-Prinzip jenes Manchesterliberalismus von 1850.

Dieser technische Fortschritterreichte einen ersten Zenit, als im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert Erfindungenin unüberschaubarer Anzahl gemacht und als „Patente“ rechtlich geschützt wurden. Was in früheren Jahrhunderten den Kapitänen und Handelsherren königliche „Privilegien“ waren, das waren den Erfindern im frühen 18. Jahrhundert und sind es bis heute die staatlich geschützten „Patente“. Sowohl das geschützte „geistige Eigentum“ (= Patent) als auch die daraus gefertigten Waren und Muster machten damals wie heute deren Besitzer vermögend und unvorstellbar reich (vgl. heute u.a. Fischer-Dübel; Würth-Schrauben; oder aber BASF/Monsanto mit ihren modernen Genfood-Patenten auf Grundnahrungsmittel wie etwa Reis, Mais, etc.pp.). Was einstmals als „Versuch & Irrtum“ begonnen hatte, das wurde nun, im 19. u. 20. Jahrhundert, zum systematisch-methodischen Fragen; was über Jahrhunderte hinweg ein „Hantieren mit Rohstoffen“ und schieres Gottvertrauen als „Wissensbasis“ war (vgl. die zufälligen Erfindungen von Materialien und Werkstoffen im Bereich der Alchemie, wie etwa die Erfindung des Meißner Porzellans, 1708), das wurde nun abgelöst durch methodisch-zielgerichtetes, experimentelles Forschen im Raume modernerNatur- und Ingenieurs-Wissenschaften; was über Jahrhunderte in handwerklicher Tradition das Verfertigen von Unikaten war, das wurde nun die planmäßige, prozessgesteuerte Produktion industriell gefertigter Massen-Artikel der ersten und zweiten „Industriellen Revolution“(Erste Industrielle Revolution: ca. 1780-1850; Zweite Industrielle Revolution: ca. 1880-1930). So wurden die Skizzenblöcke, Zeichentische und Reißbretter der Tüftler, Erfinder und Ingenieure zu den neuen „Geld-Druckpressen“ dieses technischen Zeitalters. Stellvertretend für die Erfinder und Ingenieure dieser technisch-industriellen Epochen seien u.a. Thomas Alva Edison, Nikola Tesla, Alexander Graham Bell genannt, deren bahnbrechende Erfindungen im Bereich der Elektrizität und ihrer alltagstauglichen Anwendungen liegen (z.B. Glühlampen, Generatoren, Telefon, u.v.a.m.), oder aber Unternehmer wie etwa Ransom Eli Olds und Henry Ford, die ab 1902 die Fließband-Produktion erfanden und maßgeblich perfektionierten, indem sie standardisierte Bauteile in den Fertigungsreihen einführten und verwendeten (vgl. u.a. „DIN“-Norm). Beides, die industriell geeichten Norm-Maße von der kleinsten Schraube bis zum größten Bauteil sowie der Work-Flow an den Fließbändern, verkürzten die Produktions-Zeiten einesArtikels, senkten die Produktions-Kosten bei industriell gefertigten Gütern insgesamt und minimierten auf diese Weise deren Preis. Erfinder und Unternehmer wie Edison und Bell sind, nicht nur was ihre Geschäftspraktiken anbetrifft, quasi die frühen, industriellen Ahnen zu Bill Gates, Steve Jobs, et al. — den Erfindern der heutigen, der „digitalen Revolution“ oder „mikroelektronischen Revolution“.

Exkurs: Das digitale Äon entwickelte sich seit den späten 1970er Jahren aus der Dritten Industriellen Revolution (ca. 1950-1990) mit ihren Hochleistungs-Technologien — z.B. den Atom-, Plasma-, LED-Technologien, der Nanotechnologie, der Mikroelektronik, u.v.a.m. — in den damaligen „Industriestaaten“ der nördlichen Hemisphäre. Industriestaaten, damals die „Erste Welt“ genannt, sind durch eine hochspezialisierte Arbeitsteilung der Produktions-Prozesse im Rahmen einer Industriegesellschaft charakterisiert. Nun entstanden aus ForschungsErgebnissender verschiedenen Hochleistungs-Technologien die ersten digitalen Puzzle-Teile und späteren Bausteine der heutigen„Digitalen Welt“ (vgl. Gründung des CERN, 1954; dort u.a.: Erfindung des World Wide Web durch Tim Berners-Lee, et al. 1989; dessen Weiterentwicklung zum allgemein nutzbaren Internet ab August 1991;). Forschungs-Ergebnisse und nicht zufällige Erfindungen, ebneten Studenten und Technik-Enthusiasten wie einem Bill Gates oder Steve Jobs in ihren „Garagen-startup-Unternehmen“ den Weg zu bahnbrechenden Visionen einer völlig neuen Welt, indem sie diese Spezial-Technologien konsequent zu benutzerfreundlichen Anwendungen entwickelten. Hierin glichen sie noch immer Edison, Bell & Co. . So etwa die digitaleVision von Bill Gates, dass (von 1980 aus gesehen…) alsbald in jedem Haus und auf jedem Büro-Schreibtisch ein „PC“ stehen werde; so auch seine Vision, dass man in naher Zukunft (1980ff.) mehrere 100.000 DIN A 4-Seiten „Dokumente“ auf eine einzige CD-ROM packen werde, Stichwort: „papierloses Büro“. Gates hatte „Microsoft“ im April 1975 gegründet und brachte, teilweise mit IBM-Technologie, teilweise sogar mit Apple Know-How („Word“ u. „Excel“), einen der ersten „Personal Computer“ auf den Markt. Seine „Kleinrechner“ — bisher hatten Industrie-Rechner die Größe von Wandschränken gehabt — liefen mit Betriebssystemen von MS-DOS-Versionen (1985-1994), welche durch verbesserte Windows-Versionen (1995 bis dato) weiterentwickelt wurden. Die Benutzeroberflächen bildeten die „Office“-Anwenderprogramme.

Der junge Steve Jobs gründete „Apple“ mit zwei Freunden im April 1976. Sie waren geniale Tüftler, Programmierer und Designer. So hatte Jobs „Macintosh“-PC bereits eine „Maus“, auch waren ihre graphischen Benutzeroberflächen, von Xerox lizensiert, ausgefeilter als jene von Microsoft, und Apple, nicht Microsoft, hatte „Word“ und „Excel“ als Anwenderprogramme erfunden. „Macintosh“-PCs, kurz „Mac“ genannt, besaßen Betriebssysteme mit Mac OS-Versionen (1984 bis dato). Und mit der Markteinführung seines „iPhone“ (Jan. 2007; erster App Store, 2008), landete Steve Jobs beide Male einen echten, bahnbrechenden Coup, indem er die Weiterentwicklung der ersten SmartPhones (z.B. „Nokia 9000 Communicator“, 1996) maßgeblich und konsequent in Richtung eines mobilen, multimedialen PCs im Hosentaschen-Format vorantrieb, dabei zugleich den Preis seines Produktes entscheidend senkte, und dadurch wiederum die Verkaufszahlen in schwindelerregende Höhen trieb.

Andere „Studenten“ erfanden und/oder entwickelten andere Anwendungen, zunächst meist kostenlose „Beta“-Versionen, bauten diese zu brillanten, weltweiten Geschäfts-Ideen aus (siehe u.a. Larry Page und Mark Zuckerberg), so dass der anfängliche schmale digitale Pfad im Laufe weniger Dekaden aufgrund immer neuer, bahnbrechender Erfindungen, zu einem unumkehrbaren technischen, gesellschaftlichen sowie kulturellen Umbruchs-Prozess wurde. Dieser Umbruchs-Prozess hält bis heute an und verändert maßgeblich und dauerhaft, sowohl unsere Vorstellungen von „Welt“ und „Mensch“, er beeinflusst die Inhalte unseres Denkens (worüber wir in welcher Sicht-Weise nachdenken), als auch unsere Sprache (z.B. die allgemein akzeptierten und benutzten Kürzel- oder Kryptosprachen) sowie unsere gesamte Kommunikation (d.h. waswir wieauf welchem Kommunikations-Kanalmitteilen), u.v.a.m.. Doch retour.

 

Es zeigte sich: Seit der frühen Antike hat jede Epoche ein spezifisches Merkmal entwickelt, Waren, Artikel und „Marken“ zu verfertigen oder herzustellen; und jede Epoche inEuropaentwickelte Handels-Wege, Handels-Straßen sowie Fernhandels-Routen, um dem europäischen MarktWaren und Produkte aus allen Teilen der Welt zur Verfügung stellen zu können. Erst in den letzten 20-30 Jahren verschob sich das Jahrtausende alte Welthandels-Zentrum von Europa nach Nordamerika (zunächst nach New York; damaliges, weithin sichtbares Symbol: die sog. „Twin Towers“ des „World Trade Center“; vor allem aber ins kalifornische „Silicone Valley“ mit seinen digitalen Visionen und unbegrenztem Kapital) und von dort weiter nach Asien, vor allem nach China und den „Vier Tigerstaaten“ Hongkong (Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China), Singapore, Taiwan und Südkorea. Was jedoch über alle Jahrtausende beim Handel unverändert geblieben ist: nicht nur Waren und Produkte, sondern auch Dienstleistungen und technisches Know-How tauschen nach wie vor ihren Besitzer bzw. Eigentümer mittels einer Transaktion von Kapital: Geld.

Zwar katapultierte uns technisches Wissenwirtschaftlich dorthin, wo wir materiellheute stehen. Zwar wurde der Fortschritt des modernen Menschen seit Beginn der „technischen Revolution“ primär als „technisch-innovativer Fortschritt“ verstanden; zwar wurde der Begriff „Fortschritt“ in den letzten 30 Jahren immer stärker in diesem Sinne verwendet, eingeengt, verengt und definiert. Auch ist technisch-innovativer Fortschritt für uns Heutige schlichtweg zum Synonym für Reichtum und damit ineins für persönliches Glück geworden. Aber ist dieser rein technische Horizont schon das Ganze des Menschseins? Oder lässt sich vielleicht auch heute noch hierzu eine „Vertikale“ finden, irgendetwas außerhalbder technisch verfertigten Waren- und Produkt-Welten? Kein „Höher“, „Schneller“, „Weiter“ im Sinne eines „Surplus“, einer „technischenSynergie“, einer „wirtschaftlichenWin-Win-Situation“. Sondern eine inzwischen tief verschüttete Seite unseres Mensch-Seins, die es wiederzufinden, wiederzuentdecken gilt, da sie mit „Geld“ (staatliche Währungen versus Krypto-Währung bzw. Digital-Währung) nichtzu kaufen oder verkaufen, nicht zubezahlen wäre, weil sie per se unbezahlbarist…—?!

Begeben wir uns auf Spuren-Suche im sog. „Anthropozän“!

 

Bereits in seinem „Technik“-Aufsatz von 1949 (erweitert 1954) weist der Fundamentalontologe Martin Heidegger auf den grundlegenden Unterschied zwischen antiker „téchne“ und moderner Technik hin: alles, was heute (1949) gefertigt wird, wird bereitgestellt, um bei Bedarf konsumiert zu werden. Arbeitsabläufe werden rationalisiert und stets enger getaktet; sowohl die Natur als auch der Mensch selbst werden schließlich in den Fertigungs-Prozess der „Produktion“ eingebunden. Der „homo faber“ bzw. „homo technicus“ wird selbst zum Produkt seiner eigenen Produktivität…— Wie sieht diese Position heute im Bereich der Waren und Märkte aus?

 

Sowohl das heutige Ausmaß als auch die Dynamisierung der Wissens-, Waren- und Geldströme sind unvorstellbar geworden und in der Geschichte der Menschheit bisher beispiellos. Wissen, das einstmals über Jahrhunderte wenn nicht Jahrtausende Geltung besaß (vgl. ptolemäisches Weltbild), hat heute eine „Halbwertszeit“ von wenigen Monaten, dann ist es, gerade in den High-Tech-Bereichen obsolet geworden. Moden erfahren als Waren monatliche „Neuauflagen“. Dynamisiertes, zumal digitalisiertes Geld, wechselt seinen „Ort“ und Besitzer rund um den Globus in Millisekunden.

Was sich jedoch nicht verändert hat: Wie vor rund 200 Jahren werden noch immer bzw. schon wieder Waren und Artikel überall dort produziert, wo sie am billigsten herzustellen sind (Stichwort: Outsourcing): T-Shirts, Kleider, Schuhe, etc.pp. etwa in Pakistan oder Bangladesh, das Shirt zu ca. 18 €-Cent „Lohnkosten“ pro Stück; Elektronik-Artikel aller Art (z.B. SmartPhones), optische Hightech-Geräte (z.B. LED- bzw. LCD-Flachbildschirme, aber auch Photovoltaik-Panels, u.v.a.m.) sowie Stahl und Edelstahl-Legierungen z.B. in China oder Taiwan; Palmöl in Indonesien; in Vietnam Kleider, Schuhe, Reis, Kaffee, Tee, Shrimps, etc.pp. . Die Waren-Ströme von Fernost werden in den größten Container-Häfen der Welt, etwa in Shanghai oder Singapore, auf riesige Container-Schiffe verladen (vgl. Maersk-Linie mit bis zu 20.000 TEU-Containern; oder die 2017 in Dienst gestellte „OOCL-Hong Kong“ mit über 21.000 TEU-Containern pro Schiff), und sodann „just in time“ in alle Welt ausgeliefert, dorthin, wo sie etwa als Zulieferteile oder fertige Endprodukte benötigt werden. Ausgefeilte Logistik-„Ketten“ (sog. „Supply-Chain-Management“, kurz: SCM) machen dies heutzutage möglich. Dabei liegen die Frachtkosten eines Containers von Fernost nach Europa oder Amerika im „Promille-Bereich“ zu den in ihm transportierten Waren. Deshalb brechen die heutigen Warentermin-Börsen alle Rekorde.

Der heutige globalisierte Markt ist kein fest definierter Markt-Platz im Sinne einer Agorá mehr, sondern ein digitales Medium, einem sich stets wandelnden Universum gleich, zwar mit einem Beginn in der Vergangenheit, aber immateriell in seiner Gegenwart: stets im Werden und zugleich auch Vergehen, niemals fertig als ein „Bestand“ vorhanden. Ständiger Wandel ist sein Werden… Der globalisierte Markt ist eine gigantische, globale Handels-Plattform, die weltweit Abertausende von Online Marktplätzen miteinander vernetzt (vgl. B2B-Marktplätze, z.B. „Amazon Business“, „Wucato“ der Würth-Gruppe; C2C- Marktplätze, z.B. „ebay Kleinanzeigen“ und sog. „zShops“; aber auch B2C- Marktplätze, z.B. „Amazon Marketplace“ oder „ebay’s brands4friends“), die ihrerseits sodann den Waren-Versand in „Echtzeit“ organisieren. Weltweit. „Unruhe“, „Schwungrad“ und „Motor“ diesertechnischen Revolution sind Hochleistungs-Prozessoren und Algorithmen. Schatten-Seiten dieserjüngsten technischen Innovation: Da der gleiche digitale, globale Vertriebs- und Handelsweg auch für Waren wie digitale Aktien, Bonds & Futures sowie Wertpapiere aller Art gilt, kommt es zu neuen, weltumspannenden Phänomenen in der Finanz-Industrie: Gibt es z.B. an der New Yorker „Wall Street“ wie 2007 / 2008 geschehen, irgendeine unvorhersehbare Kursschwankung, etwa ein Kurseinbruch stärkeren Ausmaßes (vgl. Pleite der Investmentbank „Lehman Brothers“ oder der deutschen „Hypo Real Estate“), so geraten nicht nur die lokalen Finanz-Wirtschaften oder in Europa die „Londoner City“ in Panik, sondern die Schockwelle rast mit Lichtgeschwindigkeit durch das gesamte digitale Finanz-Netzwerk und bringt — ohne dass irgendein Mensch noch steuernd eingreifen könnte — auch die asiatischen Aktien-Märkte und Börsen etwa in Shanghai, Hongkong oder Tokio in höchste Gefahr (wiederholt im Feb. 2018) — und vice versa. Denn nicht mehr der Mensch als „Trader“ entscheidet über „Ankauf“ oder „Verkauf“ von Aktien und anderen Investments. Längst schon sind Algorithmen die heutigen „Gordon ‚Golden‘ Gekkos“ (vgl. „Wall Street“, 1987, Oliver Stone) an den Börsenplätzen dieser Welt, wenn sie in Millisekunden ihre Transaktionen global ausführen. Metamorphosen des Marktes.

Waren-Märkte, Finanz-Märkte, die „Wissens“- bzw. Daten-„Cloud“ — alles strömt heutzutage aufgelöst in Bits und Bytes unaufhaltbar rund um die Welt; 24 Stunden pro Tag, an 365 Tage pro Jahr. Nur ein absoluter Super-Gau könnte diese Bewegungen noch unterbrechen, zeitweise aufhalten oder teilweise stoppen. Alles wird zur Handels-Ware umfunktioniert und in den digitalen Main-Stream eingespeist. In dieser auf Gigahertz pulsierenden „Waren-Welt“ gibt es keinerlei Ruhe, keine Pausen, keinen Stillstand. Globalisierung istWaren-Bewegung: analog-materiell etwa in Containern, wie auch digital, etwa in Glasfaserkabel oder via Funkfrequenzen (UMTS, LTE, 5G, etc.). Was unter den Astronomen mit ihren umstürzenden Erkenntnissen einstmals ein Kopernikus, ein Galileo oder ein Kepler waren, was unter den Seefahrern mit ihren bahnbrechenden Welt-Entdeckungen ein Vasco da Gama oder ein Ferdinand Magellan waren, was unter den modernen Erfindern und Technik-Pionieren ein Stevenson, ein Edison oder Ford waren, das sind für das heutige digitale Äon Bill Gates (Microsoft), Jeff Bezos (Amazon), Hasso Plattner (SAP), oder aber Kids der zweiten bzw. dritten Generation, wie etwa Mark Zuckerberg (facebook) und Dominik Schiener (IOTA, Geldlose Zahlungssysteme, Kryptowährung, u.ä.m.), mit ihren weltweit vernetzten Mitarbeiter-Stäben u.a. aus Mathematikern und Programmierern. Sie sind einer-seits die heutigenMagellans, die sich selbst unbekannte Wege in die Zukunft erfinden und auf diesen Fortschritts-Wegen Visionen der Zukunft in reale Gegenwart verwandeln. Dieser technische Fortschritt verheißt den Konsumenten weltweit eine „Goldene Zukunft“. Anderer-seits sind sie die heutigenFugger, Welser, Medici etc., da sie kraft ihrer digitalen Produkt-Paletten und Handels-Routen zu sagenhaftem Reichtum aufsteigen. Damals wie heute konzentriert sich dieser Reichtum bei nur wenigen Familien weltweit. Laut UBS waren es 2018 rund 2.100 Personen, die diesem Zirkel angehörten (von den 10 reichsten Menschen im Jahre 2018 weltweit waren 6 Personen direkt im Handel oder aber im Umfeld der Digitalen-Welt tätig; 2018 besaßen 42 Milliardäre genauso viel Vermögen, wie ca. 3,7 Mrd. Menschen weltweit).

Schon längst ist der Mensch selbst — sei es nun als moderner Sklave im Palmöl-, Cacao-, Gold- oder Diamanten-Geschäft, sei es als Näherin in Bangladesh, sei es als sog. „Human Ressources“ in irgendwelchen Dienstleistungs- oder HighTech-Bereichen (vgl. u.a. Content Moderatoren in Manila) — zum „Schmiermittel“ und „Produktions-Mittel“ all dieser globalisierten Industrie-Zweige geworden. Der Preis: Der Mensch selbst ist, wie alle anderen Produktions-Faktoren unter dem Diktat der sog. „Kostenminimierung“ bei gleichzeitiger „Gewinnmaximierung“, zum reinen Kosten-Faktor degradiert, umgemünzt und letztlich verramscht worden. Und deshalb wird dieser „Kostenfaktor HR“ schon heute konsequent eliminiert, so dass er in der bevorstehenden „Industriellen Revolution 4.0“ nur noch in marginalen Stückzahlen benötigt und auch vorkommen wird. Denn im digitalen Universum der Algorithmen ist der Mensch gegen „Künstliche Intelligenz“ aus-tauschbargeworden. Eine potentielle Fehler-Quelle, nicht mehr…— Der menschheitsgeschichtliche, nicht: produktions-technische Preis heute: zum ersten Mal in der Evolutions-Geschichte des homo sapiens sapiens wird der Mensch als Erfinder von seinen eigenen Erfindungen überholt, abgelöst und zunehmend überflüssig gemacht. In der industriellen Produktion wie im Handel ist er obsolet geworden; ein technisch-mechanischer Anachronismus. Markt der Metamorphosen.

Ging es in den drei früheren Epochen des Kapitalismus noch um die „Arbeitskraft“ des Menschen in Produktion und Handel, so wird diese im Äon des „Digtalen Zeitalters“ der „Industriellen Revolution 4.0“ kaum mehr benötigt. Aber noch(2019) wird der Mensch als Rohstoff-Lieferant, als Ressource, als Handels-Ware benötigt, u.z. insofern, als dass man seine „persönlichen Daten“ insgeheim abzuschöpfen vermag. Die Metamorphose der „Handelsware Mensch“ geht einem weiteren Stadium entgegen. Aus dem „gläsernen Kunden“ ist längst schon ein „gläserner Mensch“ geworden. Ein lebender Konsum-Algorithmus. Deshalb herrscht in den Daten-Claims des „digitalen Zeitalters“ noch immer Goldgräber-Euphorie. Denn diese Claims sollen zukünftig noch umfassender exploriert, rechtlich gesichert, geschürft und letztlich ausgeplündert werden. Die Wiederkehr des ewig Gleichen: Was einstmals unter königlichem Privileg die überseeischen Gewürze waren, was im 19. Jahrhundert jagdbare Tiere waren, das sind heute „personenbezogene Daten“ in den weltweiten Daten-Claims. Zwar werden unsere „persönlichen Daten“ normalerweise durch staatliches Recht als Privatsphäre sowohl gegenüber dem Staat selbst als auch gegenüber dem Zugriff durch Dritte geschützt (vgl. EU-DSGVO). Aber von digitalen Goldgräbern wie Amazon, facebook, Google und deren Subunternehmen werden ebendiese Daten-Sätze — z.B. unsere Neigungen, unsere Vorlieben, alles, was uns gefällt, unsere Bewegungs-Profile im analogen Raum [wann befinden wir uns wo, an welchem Ort…?], wie auch unsere Bewegungs-Profile im digitalen Raum [wann und wie oft bzw. wie lange besuchen wir welche Internet-Angebote…?, wie oft survt unser Mauszeiger über welche HP…?, wieviel traffic generieren wir auf facebook, instagram & Co. …?, bei welcher Gelegenheit und wie oft griffen wir zu unserem SmartPhone…?] und tausenderlei alltägliche Verhaltens-Muster mehr — im Zuge des sog. „Big Data Minings“ miteinander vernetzt und darüber in milliardenschwere Investments verwandelt…— Der Konsum-Algorithmus „Mensch“ im Markt der Metamorphosen.

Was vor ca. 2.500 Jahren als materielle Güter und Waren in einer analogen Welt den Impuls zu Handel, zum Verkaufen und Kaufen gab, das ist in den letzten 15-20 Jahren „entstofflicht“, „entmaterialisiert“ (vgl. gr. metámorphein, in eine andere Gestalt verwandeln) und in „bits“ und „Bytes“ heruntergerechnet worden. Was den Fuggern und Welsern die Gewürze, was Abenteurern wie etwa Jack London oder Friedrich „Frederick“ Trump der Klondike mit seinen Gold-Claims waren, das sind für Bezos, Page, Zuckerberg et al. unsere digitalen Datensätze. Datensätze, die eine Aussage bzw. Vorhersage über unsere möglichenKaufentscheidungen und Intentionen erlauben und deshalb in schier grenzenlosem Maß kapitalisiert werden können. Schon heute (2019) sind diese persönlichen Daten mehrere hunderte Milliarden US-Dollar pro Konzern (!) wert (vgl. Marktwert von Amazon bzw. facebook 2018: Amazon: über 770 Mrd. US-$; facebook: über 540 Mrd. US-$; zum Vergleich: der Etatentwurf des deutschen Bundeshaushalts für 2019 umfasst „lediglich“ ca. 357 Mrd. €). Das heutige Ausmaß der Mensch-Wert-Kapitalisierung ist unfassbar geworden. Der Grund hierfür: Im digitalen Äon sind Algorithmen zu „Schaufeln & Spitzhacken“ moderner Goldgräber geworden — Markt-Metamorphosen.

 

In all diesen Metamorphosen des Marktes wie auch im flüchtigen, stets sich wandelnden Markt der Metamorphosen sollte es tatsäch noch irgendetwas„zwischen Himmel und Erde“ geben — stofflich oder immateriell — das nichtzur Wareumfunktioniert, das nichtin den globalen Waren-Stromeingespeist und mittels Algorithmen zu Geld gemacht, sprich: kapitalisiert, werden könnte, in welcher Währung auch immer — analog als „Bares“ oder aber digital als „Kryptogeld“?? Was könnte es in unmittelbarer Nachbarschaft der „Matrix des digitalen Marktes“ wohl noch geben, das nichtkäuflichzu erwerben, das also tatsächlich unbezahlbarwäre…—?! Es gibt.

 

Beleuchten wir daher im vierten und letzten Essay dieser kleinen Reihe wenigstens schlaglichtartig den einstmals grenzenlos weiten Horizont der „ideellen Werte“ einer mehrere tausend Jahre währenden Kultur-Evolution. Fragen wir nachfolgend nicht länger nach dem technischen Fortschritt der letzten 20-30 Jahre als „digitale Revolution“ mit seinem umstürzenden Verlust — anstelle menschlich-ideeller Werte wurden rein technische Werte gesetzt — sowie der technisch-dominanten Engführung umwertender Werte im Bereich der Humanitas (der Mensch als Daten-Claim und Konsum-Algorithmus). Sondern fragen wir nun nach jenen „ideellen Werten“, die seit Anbeginn der Menschheit Grund-legend für alleKulturen waren. Auf allen Kontinenten — Indien, Fernost / Asien, Europa, Nord- und Südamerika — weltweit. Interessant und wichtig ist, dass diese Werte sowohl „horizontal“, d.i. über die Kontinente verteilt, als auch „vertikal“, d.h. durch alle Zeiten hindurch, trotz aller Unterschiede immer auch Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte aufweisen; sie sind anthropologische Grundkonstanten. Denn weder ist der Mensch bloß ein mechanisch-rationales Konstrukt, wie es das Welt- und Menschen-Bild im 17. und 18. Jahrhundert suggerierte (vgl. u.a. René Descartes „Meditationes de Prima Philosophia“), noch ist der Mensch lediglich ein elektro-chemisches Konglomerat, wie man ihn in Verkürzung der Naturwissenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts definieren wollte, noch ist er eine Ansammlung von bits und Bytes, wie ihn das digitale Äon des Anthropozän in seinen Visionen andeuten möchte. Seit seinen Anfängen bricht der Mensch seine „Horizontale“, seine Welt-Ebene, auf in Richtung einer „Vertikalen“ — seien es nun die frühen ägyptischen Kulturen mit ihren Pyramiden, seien es die archaischen Himmels-Deuter und Erbauer von Stonehenge oder aber die Himmels-Schmiede aus Nebra — und transzendiert auf diese Weise seine irdische Welt in den Bereich einer göttlichen Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit bindet er zurück (lat. religo) an menschliche Werte, die ihm als Tugenden Richtungs-weisend und Sinn-stiftend sind. So etwa im Bereich der Nächsten-Liebe das Gebot der Armenspeisung, der Schutz von Witwen, Waisen und Heimatlosen, der Schutz für Reisende durch das Gastrecht, u.v.a.m. . Oder aber das Gebot der Pietät gegenüber Älteren sowie die kluge Regel des gegenseitigen Respektes, verkürzt zusammengefasst im Sprichwort: „Was Du nicht willst, dass man Dir tu‘, das füg‘ auch keinem Andern zu…“ Varianten hiervon finden sich sowohl im konfuzianischen „Lun Yü“ als auch in den heiligen Schriften der drei monotheistischen Welt-Religionen, dem jüdischen Tanach, dem christlichen „Neuen Testament“ sowie dem muslimischen Koran. Aber auch die antiken Philosophien in Ost und West weisen einen klar strukturierten Tugend-Kanon auf. Denn der Mensch als „zóon politikón“ (Aristoteles) benötigt dieseWerte, damit seine „soziale Haut“ (Noelle Neumann) intakt, damit der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft, ja jeglicher Gemeinschaft erhalten bleibt und funktionieren kann sowie seine individuelle, emotionale Persönlichkeit ausbalanciert bleiben kann. Nimmt eine Technik-Vision oder aber Ideologie dem Menschen diese „Vertikale“, so zerstört dies ein mögliches Zusammen-Leben in seiner „Horizontalen“.

 

Werfen wir im vierten Essay einen kurzen, exemplarischen Blick auf diese Werte.

 

 

Das Projekt „Was ist unbezahlbar?“ von 2009

http://daspapiertheater.de/Unbezahlbar/german/menue.htm