Toxische Narrative und ihre möglichen Folgen für Deutschland


Toxische Narrative und ihre möglichen Folgen für Deutschland

Das Spektrum politischer Narrative — ein exemplarischer Einblick, Teil II,4

01.05.2021 bis 30.05.2021

— Fortsetzung zu Teil II,3 —

 

Die Welt der toxischen Feindbild-Stereotype…

tempora mutantur… — ändern wir uns in den Zeiten?

Ist es aber tatsächlich so, dass sich „die Zeiten“ von selbst ändern und wir, da wir in ihnen leben, uns in ihnen ändern würden, wie dies in einem „geflügelten Wort“, das Kaiser Lothar I. (795-855) gewidmet wurde, beschrieben wird? Sozusagen, dass „das blinde Schicksal“ und „die äußeren Umstände“ uns diese oder jene (politische) Situation als politisch-gesellschaftliche Veränderung unentrinnbar aufzwingen würden. Wie etwa das historische Faktum des „Ersten Weltkrieges“ und daraus folgend das nationalsozialistische „Großdeutsche Reich“. Wir, die ohnmächtigen Einzelnen, folglich nichts anderes als die „Opfer der Zeiten“ sind…—?

Wir machen es uns in diesen „Schicksals“-Narrativen viel zu leicht, indem wir unsere Eigenverantwortung für politische Situationen nach außen verlagern, delegieren, und ineins damit unsere  Verantwortung einem wie auch immer gearteten „Außen“ oder auch „Über“ zuschreiben. Im religiösen Bereich ist dieses „Außen“ ein Gottes-Bild und seine Gestalt-gebenden Attribute, also all das, was wir diesem ausgelagerten Bildnis zu-schreiben. Im profanen Bereich ist es das Schicksal, fatum. Im politischen Bereich ist es, je nach gewähltem Segment, „die Demokratie“, „das Vaterland“, u.v.ä.m. . Also irgendein „höherer Wert“, irgendein Wert-Begriff, irgendein Ideal, das mit unseren Zuschreibungen beschrieben und in unserem Erleben zur (Außen-)Realität erhoben wird. Eine „politische Projektion“, wenn man so will. Denn erst die von uns gewählten Zuschreibungen verleihen einem Bild, einem Ideal, dessen komplexe „Gestalt“, eröffnen aus der bildhaften, zweidimensionalen „Ebene“ die emotionale „dritte Dimension“. Salopp und sehr verkürzend formuliert, können wir sagen: Unsere aktiven Zuschreibungen gleichen einem „3D-Drucker“, der aus unserem „Kopf-Kino“ verwertbare 3D-Modelle als „Realität“ erstellt…—

 

Der Weg vom Wort über das „Bild“ zur Tat

Im Anfang steht das Wort. Das Wort wählt das „Erste-Bild“ aus, das sodann das komplexere Narrativ-Thema vorgibt. Dieses Einzelbild ensteht zuerst in unserem Kopf, dort ist sein originärer Ursprungs-Ort. Mittels unserer Wort-Palette und der Ausdrucksmöglichkeit unserer Sprache schmücken wir dieses Wort-Bild zunächst zu unserer persönlichen Überzeugung und daraus nachfolgend zum bunten „Gemälde“ einer vielschichtigen Erzählung aus — gerade so, wie ein Maler mittels Farbpalette und Pinseltechnik auf der leeren Leinwand eine Szenerie erschafft, die nachfolgend dem Betrachtenden eine Geschichte erzählt. Das „Kopf-Kino“ ist der „bewegte Film“, bestehend aus Einzelbildern, der sowohl unser konkretes Erleben nach innen hin formt und gestaltet (Überzeugungen), als auch nach außen hin Motivationen zur Tat generiert. In diesem inneren Bilder-Zyklus gleichen die von uns selbst vorgenommenen Zuschreibungen den Sprechrollen der Protagonisten der Kino-Filme. In unseren Narrativen sind wir der Drehbuchautor, der Regisseur, der Protagonist in Personalunion. Erst unsere Zuschreibungen  machen aus Wort-Bildern, verdichtete Überzeugungen und komplexe Vorstellungen (z.B. Ressentiments, u.ä.m.) innerhalb unserer Erlebnis-Welten. Erst unsere  Zuschreibungen machen aus unserem „Kopf-Kino“ in unserer Innen-Welt, gestaltende Handlungen für die Außen-Welt. Auf diese Weise gestaltet sich die Ziel-gerichtete, unseren Zuschreibungen ent-sprechende, auf animierten Bildern beruhende, authentische Tat. Sofern es keine Tat im Affekt ist, läuft also zunächst ein „innerer Film“ in uns ab. Dieser enthält den gestaltenden Plan zur zielgerichteten Tat. In diesem Fall agieren wir weitestgehend selbst, sind autonom, d.h. wir handeln innengesteuert, nach unserem  „Drehbuch“, sind folglich selbst der Wort-Bild-Überzeugungs-Täter.

Es gibt aber auch den Fall der Außensteuerung unserer Aktionen — alle Fälle von gezielter Manipulation. Dann nämlich, wenn im Kontext der politisch-toxischen Narrative das gewählte Symbol des „Kopf-Kinos“ sich dahingehend verändert, dass es sozusagen ein „Daumen-Kino“ wird. Das heißt: Irgendein „Meinungs-Führer“ als Populist, ein Propagandist, ein Agitator, Demagoge, etc. gibt uns gleichsam ein „Malbuch“ voller Stereotype — nämlich sein eigenes! — an die Hand. Eine toxische Handreichung, ein vergiftendes Danaergeschenk, das bereits das Oberthema (z.B. Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, u.v.a.m.) enthält. Unsere Motivation besteht sodann darin, die vorgezeichneten Erzähl-Linien, die vorgegebenen Skizzen und Schattenrisse gemäß unserer eigenen „emotionalen Farbpalette“ (z.B. Abneigung, Neid, Groll, Hass, Rache, etc.pp.) zu „colorieren“. Freiwillig verleihen wir in diesem Fall einem „fremden Stereotyp“, das uns von außen angeboten wird, folglich nicht originär aus unserem eigenen Erleben stammt, aber uns dennoch irgendwie sehr vertraut vorkommt, unser persönliches Kolorit. In diesem Fall re-agieren wir, freiwillig, als manipulierte Überzeugungs-Täter*innen. In beiden Fällen gilt jedoch: Unsere persönlich ausgestalteten Wort-Meldungen als Meinungen (z.B. in Blogs, Chats, auf Demos, u.v.ä.m.), unsere Handlungen und zielgerichtete Taten als greifbare Realität in der Außen-Welt, lassen ziemlich präzise Rückschlüsse auf unser „Kino-im-Kopf“ und unser emotionales Erleben zu.

 

Was folgt daraus? Der „freie Mensch“ ist zur Eigenverantwortung sowohl seines Sagens und Meinens als auch seines Tuns (…wie auch seines Unterlassens…) verdammt. Er entkommt dieser Grundsituation menschlichen Seins nicht, selbst dann nicht, wenn er noch so gerne völlig straf-frei handeln und die totale Verantwortung für sein persönliches Sagen und Tun einem „Anderen“ zuschustern, zu-schreiben und übertragen möchte. Etwa einem „Gott“, einem „Führer“, einem „Schicksal“, einer „Zeit“…— „Ich selbst war doch auch nur ein unbedeutender Mitläufer…“, oder etwa: „auch ich wollte ja das Gute tun…“ So oder so ähnlich lauten dann meist, zumal im Nachhinein, die verlogenen Entschuldigungs-Versuche vor dem eigenen Gewissen bzw. vor der breiten Öffentlichkeit (vgl. die Viten von ehemaligen Nazikollaborateuren im Nachkriegsdeutschland bis hinein in die späten 1980er Jahre — einstmals aktive Überzeugungstäter*innen, Handlanger, Schergen des Terrorsystems, mit einem mal „persil-weiß“ gewaschen, aus „braun“ mach‘ „weiß“, allesamt wieder „ehrbare Bürger*innen“ in Amt und Würden…). Oder aber, in völliger Verkehrung der persönlichen Realität: „Ich selbst bin doch das Opfer, nicht der Täter!“ (so uni sono die Behauptung der meisten Kriegsverbrecher, nicht nur in Nürnberg, Jerusalem, Den Haag…) Jedoch: Verantwortung haben, Verantwortung tragen, Eigenverantwortung für sich und seine Worte und Taten zu übernehmen, all das ist der inhärente Preis der menschlichen Freiheit. (Diese  Realität wird später bei der Agitation und der Demagogie wesentlich werden…) Denn faktisch ist es immer der gestaltende Mensch, der homo faber bzw. homo politicus, der einer „Epoche“ das typische Gepräge verleiht — sei es nun als Propagandist, als Agitator oder Demagoge, der das mitreißende, hässlich-hetzende „große Wort“ mit noch größerem Pathos führt (z.B. Lenin); oder sei es als politischer Avantgardist, Revolutionär oder als Epigone, der entsprechende Taten sich erdenkt, durchgestaltet und plant, und nachfolgend begeht (z.B. Ernesto „Che“ Guevara). Epochen werden immer von einzelnen Menschen gestaltet, die der Zeit — wie beim Siegelwachs — ihren persönlichen Stempel aufprägen. So war es bereits bei der Epoche der König- und Kaiser-Dynastien (ca. 476-1918), die abgelöst wurde von der „Epoche“ der Diktatoren und Despoten (1918-1945; teilweise bis heute…); so war und ist es in der gegenwärtigen Epoche der Demokratie (Amerika: 1776, Frankreich: 1789, Deutschland: „Weimarer Republik“ und ab Mai 1949 bis heute). Aber auch diese „Epoche der Demokratien“ wird vorübergehen, da einzelne Menschen, euphemisch gerne als „Autokraten“ tituliert, sie bereits heute aktiv umgestalten und die „tragenden Säulen der Demokratie“, das sind: 1. freie Wahlen, die der Verlierer akzeptiert, 2. unabhängige Gerichte, die nach Recht & Gesetz nicht aber nach politischem Führungsanspruch Recht sprechen sowie 3. eine freie Presse, die nicht von Oligarchen aufgekauft bzw. von Diktatoren zensiert wird, für ihre persönlichen Belange systematisch umfunktionieren. Stellvertrtend seien an dieser Stelle lediglich Xi Jingping, Putin, Orbán, Kaczyński, Erdoğan, Trump sowie die weltweit organisierten Rechtspopulisten genannt. All diese Akteure gestalten die Zeit, in der wir leben. Politisch gesehen, so will es in unserer Zeit („Ära Trump“, 2017 bis heute) scheinen, dass sich tatsächlich die Epoche der Monarchen bzw. die Tyrannis der Einzelherrscher sowie der nationalistischen Diktatoren wieder-holen soll, u.z. zunächst in den Köpfen Einzelner, etwa als Trumpisten, als Reichsbürger, der „Neuen Rechten“, der „Flügel“-AfDler, der Identitären, etc.pp., zuletzt jedoch abermals breitflächig als ausgestaltete staatliche Realität in-der-Zeit, der „Neuen Zeit“. Tempora mutantur…—?

 

Der Haken an historischen Vorbilder-Wiederholungen in-der-Zeit: Nach modernem Verständnis ist „Zeit“ ein Kontinuum. Und damit sind sowohl die Zeit selbst als auch die Situationen darin, un-wiederholbar. Als menschliches Modell gleicht „Zeit“ einem Zeitstrahl, der sich von der (dunklen, grauen, schattenhaften…) „Vergangenheit“, durch die „lichte Gegenwart“ des Augenblicks in die (bunte, hellere, bessere…) „Zukunft“ voranbewegt. Ein Kontinuum vom „Urknall“ durchs „Jetzt“ in die fernste „Zukunft“. Eine verkürzte Vorstellung von „Zeit“, prägnant zwar, aber deshalb in-der-Sache bereits zutreffend? Ähnlich der elektromagnetischen Wellen des Lichts, das wir umgangssprachlich ja auch verkürzend als „Sonnen-“ oder „Lichtstrahl“ bezeichnen. Ist jedoch der zeitliche Augenblick vorüber-gegangen und mit ihm die inhaltliche Situation, die er trägt, so kommen weder der Augenblick noch diese Situation jemals wieder. So die heutige wissenschaftliche Lehre. Daraus würde jedoch folgen, dass sowohl die äußere, „historische“ Realität der vergangenen Monarchien wie der ehemaligen Diktaturen (als „Ereignisse-in-der-Zeit“…) als auch das individuelle Leben als „Situationen-in-der-Zeit“ nicht wiederholbar sind (…you can’t rewind your life…). Oder, anders gesagt: Alles, was jemals in der Zeit gründete, wurde vom Strom der Zeit unwiederbringbar fortgetragen. Nur Quellen (Akten, Urkunden, etc.pp.) erinnern an historische Ereignisse; nur die schemenhaften, lebendigen Erinnerungen spiegeln im Gedächtnis einstmals persönliches Erleben wider. Wie könnten sich dann aber hochkomplexe, historische Ereignisse — wie Konflikte, Kriege, Progrome, Genozide, etc.pp. — jemals inhaltlich wiederholen? Wie könnte es dann aber inhaltlich  zur „ewigen Wiederkehr des Gleichen“ (vgl. Nietzsche, Nachlass, u.a.a. in: Die fröhliche Wissenschaft, Aphorismus 341) kommen? Und dies sowohl im Horizont der Weltgeschichte — als historische Ereignisse — als auch im individuellen, rein persönlichen Leben, als ein situatives Gestern im Heute für ein besseres Morgen? Ungeachtet dieser Tatsache, scheint das Gute, Wahre, Schöne doch immer in der Zukunft einer scheinbar sich selbst wieder-holenden „guten alten Zeit“ zu liegen. Ein paradoxaler Sehnsuchts-Ort, ein imaginärer Flucht-Punkt, eine fiktive Projektion menschlicher Existenz als handelsüblicher „Life-Style“…— Seit Jahrtausenden.

 

Das Wiederholen von Mustern und Verhaltensweisen hinsichtlich Staaten und Nationen

Nicht die Zeiten wiederholen sich und damit ineins die historischen Situationen als „Ereignisse“. Sondern deren Grundlagen, die „Bedingungen der Möglichkeit“ einer Situation, werden von Menschen aktiv wiederholt: z.B. das Kopf-Kino der hässlichen Bilder als persönlich colorierte Überzeugungen und Ressentiments. Im Kontext der politisch-toxischen Narrative gestalten sie die Hass- und Ressentiment-basierten Verhaltensweisen  des Menschen. Es sind die grundlegenden, seelischen Muster  des Menschen, die sowohl unsere Überzeugungen als auch unsere Verhaltensweisen bedingen, die sich zu jeder Zeit wieder-holen, re-animieren, „kopieren“ lassen. Sowohl die „positiven“, wie etwa altruistische Muster und Verhaltensweisen der Nächstenliebe, der Empathie, etc. (…wie sonst könnten wir anderen Menschen, zu welchen Zeiten auch immer, jemals Hilfe leisten…?) — als auch die aggressiven, wie etwa Neid, Groll, Hass, und deren Verhaltensweisen der Rache, des Rassismus, der Xenophobie, etc.pp. (…woher sonst entstünde unsere Vorstellung, einen erfundenen Fremden als realen, persönlichen Feind erleben zu können…?). Es sind unsere emotionalen Verhaltens-Muster, die ablösbar von der Zeit, nicht an die vorübergehende, niemals wiederkehrende Zeit gebunden sind. Denn emotionale Muster gleichen vielmehr „Folien“, Abs-traktionen, die von der jeweiligen Situation-in-der-Zeit heruntergezogen werden können, da sie in der „Persönlichkeit“, der „Persona“ (psych. Termini) des einzelnen Menschen verankert sind. Deshalb gilt: Das fanatisch-mörderische Grund-Muster eines Hass-Narratives kann, eingebettet in Überzeugungen — und losgelöst von der Zeit einer „Epoche“ — mehrere Jahrhunderte übertragbar sein, kann Zeitenläufe und Zeitenwenden schadlos überdauern, solange es nur genügend Menschen-in-der-Zeit gibt, die das betreffende Muster transportieren, die den Hass von Generation zu Generation weiterreichen, ihn mit Leben erfüllen, ihn wie einen Untoten re-animieren. Quasi: wie die Alten sungen, so künden’s auch die Jungen und selbst noch deren Kindeskinder…—

Es sind diese toxischen Narrative, die in den Köpfen von Einzelnen hausen und unauslöschlich weiterexistieren, die das kopierbare Muster kontinuierlich tradieren. Einerseits gleichsam Zeit-los; andererseits nur konkret im jeweils auffordernden Imperativ zum bekennenden Sagen bzw. zur entsprechenden Tat-in-der-Zeit. Beides, toxische Narrative und hasserfüllte Muster, sind das Kontinuum der hässlichen Meinung. Sie sind der existentielle Kern des schöpferischen Ressentiments zur hasserfüllten wie auch hasserfüllenden Tat. Sie sind die unzerstörbare Matrix aller Kriege, aller Progrome, aller Genozide. Innnerhalb der Hass-Tradition eines Feindbildes hat das grundlegende Muster jedoch schon längst ein gewisses Eigen-Leben angenommen und setzt den Grund-Ton für alle späteren Variationen. Lediglich seine Ausgestaltung in der jeweiligen Gegenwart ist „neu“, u.z. insofern, als dass das Hass- bzw. Feindbild-Muster an die gegebenen Zeitgeist-Umständen angepasst wird. So war es in der Agonie der untergehenden Kaiserreiche mit der tradierten „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen, die zum „Ersten Weltkrieg“ führte; so war und ist es im (Nord-)Irland-Konflikt seit Oliver Cromwell (1599-1658); so war es bei dem Genozid der Türken an den Armeniern (1915/16), so auch beim serbischen Massaker an bosnischen Muslimen in Srebrenica (Juli 1995); so ist es heute (09.-22.05.2021) bei den bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen auf dem Jerusalemer Tempelberg, dem „Gaza-Streifen“ und in ganz Israel zwischen fanatisierten Juden und fanatisch überzeugten Anhängern der palestinensischen Hamas. Immer wiederholten und wieder-holen sich fanatisch gesteigerte, in diesen Fällen nationalistisch aufgelagerte, Hass- bzw. Feindbild-Muster  in einer anderen Zeit. Diesen Wiederholungen-in-der-Zeit dienen politisch-toxische Narrative — sei es als Propaganda, sei es als Agitation, sei es als Demagogie eines totalen Willens zur Macht — als probate, global wirkende Transport-Mittel.

 

Hass-Muster und Verhaltensweisen von Gruppen, Gruppierungen und Einzelnen

Wechseln wir das „Hass-Passepartout“ und zoomen tiefer hinein. Betrachten wir anstatt Nationen und Staaten sowie deren Armeen einzelne Gruppen  und Gruppierungen  innerhalb eines Staatswesens, so gilt: extrem gewaltbereite Gruppen und „Bewegungen“ verübten zu verschiedenen Zeiten und verüben auch heute wieder — außerhalb der rechtsstaatlichen Sphäre — Lynchjustiz und Fememorde. So war es im 19. und 20. Jahrhundert etwa bei den Fememorden des Ku-Klux-Klan an farbigen US-Bürger*innen in den amerikanischen „Südstaaten“. So war es bei den Politikermorden in den 1970er Jahren durch europäische Linksterroristen (RAF, „Rote Brigarden“, ETA, etc.pp.). So war und ist es bei den Terror-Milizen der Taliban in Afghanistan, so auch beim „IS“ (versus muslimischen  Minderheiten wie z.B. den Jesiden). So war es, last but not least, seit den 2000er Jahren bei den islamistischen Terroranschlägen in Europa (Al-Quaida, IS), den USA (Al-Quaida, IS), in Asien (Jemaah Islamiyah, Abu Sayyaf, et al.) und Afrika (u.a. Boko Haram, Al-Shabaab). Zwar richtet sich in Syrien, Irak, Afghanistan, Nigeria, etc.pp. der islamistische Terror mehrheitlich gegen die eigene Religionsgemeinschaft der Muslime, deren Opferzahlen im Nahen- und Mittleren Osten sowie in Afrika bei weitem die Opferzahlen der Christen und Juden übersteigt. Handelt es sich jedoch um typische Terroranschläge in Europa, Asien und den USA, wie etwa beim „11. September“, dann sind es in der Diktion der Islamisten „Ungläubige“ der anderen Weltreligionen, also vor allem Christen und Juden (vgl. Anschlagserie von Frankreich: Paris, Nizza, etc.pp. 2015ff.), die ihrem fanatischen Hass als „Ziel“-Gruppe dienen.

Und zoomen wir in den Bereich des Einzelnen, so trägt das verwendete Hass-Passepartout bisweilen die Züge eines „strukturellen Rassismus“ (z.B. George Floyd, et al.) oder „strukturellen Antisemitismus“.

Jedoch: In all diesen Fällen sind nicht „die Zeiten“ die Ursache der Wiederholungen als „historisches Geschehen“. Sondern die verwendeten, teilweise völlig entgrenzten, bestialischen Hass-Verhaltens-Muster, machen aus kriminellen Straftaten „ähnliche Straftaten“, machen aus Totschlag „rassistischen Totschlag“, aus Mord „politischen Mord“ (ideologisch bzw. religös-fanatischen Mord…) und aus Massakern „Völker-Mord“, u.z. sowohl als Wieder-Holungen in verschiedenen geographischen Zonen dieser Welt als auch zu verschiedenen Zeiten. Das jeweils verwendete Hass-Verhaltens-Muster ist im zeitlich Vorüber-Gehenden das Bleibende, das Zeit-lose Passepartout, woraus das jeweilige Feind-Bild als Hass-Objekt seine „Gestalt“ annimmt. Das jeweils konkret ausgelebte Ressentiment ist sodann das typische Zeitgeist-Kolorit. Und die konkrete „Gestalt der Tat“ ist sozusagen der persönliche „Fingerabdruck“, das individuelle Identifikationsmuster des Einzeltäters, selbst dann, wenn als Gruppe bzw. Gruppierung (z.B. RAF, IS, aber auch Waffen-SS, Milizen, etc.pp.) Straftaten — im Sinne des Zivil- sowie des Völkerrechts — begangen werden. Es gibt daher in der heutigen Nachfolge des römischen Rechts weder eine „Kollektivschuld“ — etwa die Kollektivschuld aller  Deutschen an den Gräueltaten des Nazi-Regimes (…es gibt jedoch gemeinsame Verantwortung…). Noch gibt es eine „Sippenhaft“ bzw. „Kollektivstrafe“ aller für das Vergehen eines Einzelnen, wie das in rechtspopulistischen Meinungen und Medien so gern kolportiert und vehement eingefordert wird…— Es gibt bestenfalls ein „Kollektiv der Schuldigen“ (vgl. u.a. die „Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse“ [Göring, Hess, Rosenberg, et al.]; oder das UN-Kriegsverbrecher-Tribunal vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Den-Haag, [Jelisić, Mladić, Karadžić, Praljak, u.a.m.]). Es geht vor politisch unabhängigen Gerichten auch nicht, wie dies immer wieder fälschlicherweise behauptet wird, um „die Rache der Sieger“, sondern um Gerechtigkeit. Was jedoch unter dem Aspekt von „Recht & Gesetz“ als gerecht von Richter*innen entschieden und „im Namen des Volkes“ als Urteil verkündet wird, das ist oftmals gänzlich unterschiedlich zur persönlich „gefühlten Gerechtigkeit“ sowohl der Täter („…nicht schuldig im Sinne der Anklage…“, so seinerzeit uni sono Göring, Hess, auch Eichmann; ebenso Jelisić,Praljak, etc.pp.) als auch der Opfer. Diese Differenzierung wird bei den einzelnen historischen, politisch-toxischen (Feindbild-)Narrativen relevant werden.

 

— Fortsetzung folgt, Teil II,5 —

 

Quellen und Verweise in der Reihenfolge ihrer Nennung:

 

Die sog. „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschen und Franzosen

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-franz%C3%B6sische_Erbfeindschaft

 

Oliver Cromwell

https://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Cromwell

 

Genozid der Armenier

https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkermord_an_den_Armeniern

 

Massaker von Srebrenica

https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Srebrenica

 

Liste von unterschiedlichen Massakern in den USA

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_massacres_in_the_United_States

 

Massaker an Afroamerikaner*innen in Tulsa 1921

https://en.wikipedia.org/wiki/Tulsa_race_massacre

 

Islamistischer Extremismus

https://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/36379/suedostasien

 

Liste islamistischer Anschläge in Frankreich

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_islamistischer_Anschl%C3%A4ge_in_Frankreich#2018

 

Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess ab Nov. 1945

https://www.deutschlandfunkkultur.de/urteile-im-nuernberger-hauptkriegsverbrecherprozess.1134.de.html?dram:article_id=177167

 

Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien

https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Strafgerichtshof_f%C3%BCr_das_ehemalige_Jugoslawien#Angeklagte

 

Übersicht zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag

https://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Strafgerichtshof

 

Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag

https://www.icc-cpi.int/