TÖNE SIND UNSICHTBAR
Allzuviel vieles
liegt auf der Hand und vor
Augen weithin.
Solcher Gesichte
Inbild, denn Sehen ist
Wissen, spreizt sich.
Hab ich’s gesehen,
weiß ich, es nimmt mich dann
nichts mehr wunder.
Blickt ich dem Sein ins
Auge, schön wär’ es, ich
wär’ im Bilde.
Unsichtbar bleibt uns
manches, das Meiste von
dem, was trächtig:
Mich lebt mein Leben.
Vieles, was wesentlich
ist, verbirgt sich.
Wissen genügt nicht.
Was es erblickt, lässt sich
füglich sehen.
Ist, sich zu zeigen,
allem verhängt, oder
ist es zwecklos?
Wie aber kann ich
also Verschwiegenem
Stimme geben?
Sagen, was niemand
jemals geschaut, keiner
je gesehen?
Wüsst’ ich’s, ich würde,
wie sich’s gehört, ohne
Zögern sprechen,
besser noch deuten,
zeigen auf das, was sich
zeigt den Augen.
Hängt das Gewusste
ab vom Geschehenen
augenblicklich,
bleibt uns verschlossen
alles, was unsichtbar
unseren Augen,
ist unser Wissen
Stückwerk, beschränkt, und der
Blinde weiß nicht.
Trau’ ich denn, wenn’s ums
Ganze geht, einzig der
Sicht der Augen?
Geh’ ich verschlossnen
Ohrs durch die Welt, ohne
Hören, nur sehend?
Lauscht nicht ein jeder,
wo er nicht sieht, auf den
Laut von Klängen?
Seh’ ich, so weiß ich,
weiß ich Geschehenes,
seh’ Gewisses.
Augen, sie nehmen
wahr, was sich abspielt rund-
um im Umkreis,
sehend und wissend.
Töne sind unsichtbar.
Nicht fürs Auge.
Tonmalerei täuscht
vor, färbt nur ein, was als
Ton erklungen.
Horchend, vernehm’ ich,
bin ich gestimmt von der
Stimme Anklang,
bin ich betroffen,
stimme ich ein in die
Spannung der Laute.
Ist doch in Schwingung
alles und jedes, und
unaufhörlich
singt es und klingt es
all überall, ob im
Kleinsten, Größten,
tönen selbst Sphären,
spannt sich, was unsichtbar,
Saite für Saite.
Gib mir, auf dies zu
lauschen, geschlossnen
Auges, horchend!
Gib mir, auf das zu
lauschen, was unsichtbar
Eingang findet!
Gib mir, auf Deine
Stimme zu hören, Du
Unsichtbarer!