Thomas Berger über: THEODOR STORM ALS DICHTER
Auszüge
Obgleich Storm erst mit 63 Jahren aus dem Dienst schied, brachte er seinem Beruf als Jurist keine ausgeprägte Neigung entgegen. 1858 klagte er in einem Brief an den Landschaftsmaler Hermann Schnee (1840−1926): „Die verfl. Acten werden mich doch vor der Zeit tödten; wer den Drang zu einer individuellen Lebensarbeit in sich fühlt, der muß an dieser geistigen Tagelöhnerei über kurz oder lang zugrunde gehen.“ Und zwei Monate vorher schrieb er an seine Mutter von einer „Tortur, die Kräfte und Besinnung raubt“. Später rückte die Sicherheit eines festen Einkommens stärker in sein Bewusstsein.
Storm stand in Kontakt mit den Schriftstellern Paul Heyse (1830−1914), Theodor Fontane (1819−1898), Klaus Groth (1819−1899), Eduard Mörike (1804−1875), der, ähnlich wie Storm, mit seinem „Brotberuf“ – er war Pfarrer – haderte, Joseph von Eichendorff (1788−1857) und Gottfried Keller (1819−1890) , der Storm einen „lieben Lebens-, Kunst und Freundschaftsmeister“ nannte; ferner mit dem Juristen und Historiker Theodor Mommsen (1817−1903) und dem Literaturwissenschaftler Erich Schmidt (1853−1913).
In seinem zweiten Studienaufenthalt in Kiel schloss sich Storm einer studentischen Gemeinschaft an, die sich „Kieler Clique“ nannte. Der Gruppe gehörten Studenten ganz unterschiedlicher Fachrichtungen an. Es verband sie die Liebe zur Literatur, vor allem zur Lyrik. 1843 gaben die Mitglieder der „Clique“, Theodor Storm, Tycho Mommsen (1819−1900), der spätere Direktor des Frankfurter Städtischen Gymnasiums, des nachmaligen Lessing-Gymnasiums, und Theodor Mommsen, der 1902 als erster Deutscher den Nobelpreis für Literatur erhielt, das Liederbuch dreier Freunde heraus. Dabei handelt es sich um eine von ihnen selbst finanzierte Sammlung ihrer poetischen Arbeiten, zu der Storm 44 Gedichte beiträgt – neben anderen die Gedichte Du bist so jung, Dämmerstundeund Harfenmädchen. In seiner Potsdamer Zeit als Gerichtsassessor war Storm, wie Paul Heyse und Theodor Fontane, in Berlin Mitglied der literarisch-kulturellen Vereinigungen „Tunnel über der Spree“ und „Rütli“.
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