Regelungen kirchlicher Feiertage


Behördliche Regelungen kirchlicher Feiertage an der Bergstraße

in den Jahren 1945-1952

 

Teil 2

 

Eingaben der Wirtschaft

 

Die Firma „Riedlinger & Co“ in Bensheim-Auerbach erbat sich am 20.11.1948 von Landrat Wilhelm Dengler eine Entscheidung darüber, ob sie ihren Mitarbeitern an Allerheiligen Lohnfortzahlung zu leisten hätte. Der Buß- und Bettag sei bekannt­lich „im Allgemeinen als ein gesetzlicher Feiertag, welcher bezahlt werden muss, zu betrachten.“ Dagegen würde der Allerheiligen-Tag am ersten November „nur an einzelnen Plätzen als Feiertag gehalten […] und von den Bürgermeistereien jeweils bestimmt werden“. Unter diesen Umständen könne er „doch nicht eben­falls als allgemein zahlungspflichtig vorgeschrieben werden.“ Bei der überwie­gend evangelischen Bevölkerung Auerbachs sei „früher“ (gemeint ist wohl vor der Eingemeindung im Jahr 1939) an Allerheiligen immer gearbeitet worden, den katholischen Arbeitern und Angestellten sei auf Wunsch frei gegeben worden. Es könne sicherlich „nicht jeder konfessionelle Feiertag, einmal katholisch, ein­mal evangelisch [,] berücksichtigt werden“, sondern es müsse „eine allgemeine Bestimmung für das ganze Land Hessen nur Geltung haben.“

In ähnlicher Weise äußerte sich gegenüber dem Landrat auch die Firma „Jeka“ in Heppenheim, eine „Spezialfabrik elektrischer Apparate“. Am 21. August 1951 erklärte sie anlässlich des „vergangenen Feiertags […] Maria [!] Himmelfahrt“, dass alle „un­gleich gehaltenen Feiertage im Kreis, Land- oder Bundesgebiet“ für sie selbst, „und überhaupt für die Industrie und das Gewerbe, unerträgliche Belastungen wirtschafts- und kapitalmässig“ seien. Aus Konkurrenzgründen müsste sich die Firma „nach den grösseren Industrieorten unserer unmittelbaren Nachbarschaft (Darmstadt, Frankfurt, Mannheim) richten, die diese Feiertage nicht halten.“ Dies gelte sogar für „die angrenzenden Orte nach Norden und Süden“ Heppenheims, die ebenfalls „von diesen Feiertagen nicht betroffen“ seien. Der Regelungsbedarf müsse dahin zielen, „daß diese Feiertage fallen gelassen oder im ganzen Kreis bezw. Land, ohne Unterschied der Konfession, gehalten werden.“

Der Landrat antwortete darauf am 18. September 1951: „Ich ver­stehe durchaus, dass die ungleich gehaltenen Feiertage für Industrie und Ge­werbe u.U. erhebliche Belastungen mit sich bringen können.“ Allerdings seien „die Bestimmungen des hess. Gesetzes über die Feiertage“ für ihn „massgeb­lich.“ Wenn von Seiten der Firma eine Änderung des Gesetzes angestrebt werde, „was durchaus verständlich erscheint“, solle sich die Firma „mit Hilfe der […] In­dustrie und Handelskammern oder auch politischen Parteien an den Hess. Landtag […] wenden“.

In einem weiteren Fall, als sich eine Firma in Viernheim dagegen zu verwahren suchte, „unter den heutigen Verhältnissen auf dem Baumarkt […] sowohl den Allerheiligen als auch den Buss- und Bettag“ Gehalts- und Lohnzahlung leisten zu müssen, stellte der Landrat am 14. Dezember 1951 fest, dass der Buß- und Bettag in Hessen gesetzlicher Feiertag sei. Mit Erlass des hessischen Innenministers vom 14.10.1950 sei „in der Stadt Viernheim Allerheiligen“ ebenfalls „gesetzlicher Feiertag“; an beiden Feiertagen bestünde somit Lohnzahlungspflicht.

 

 

 

Eingaben einer Privatperson und eines konfessionellen Vereins

 

Adolf L.[i] schrieb am 14. Juli 1946 an den Landrat des Kreises Bergstraße, dass es „früher unter der Naziherrschaft […] eine üble Erscheinung“ gewesen sei, „daß die Menschen immer in ‚Bewegung’ gehalten wurden und nie zur Ruhe und Besinnung kamen.“ Dabei sei es „eine besondere Taktik“ gewesen, „dem religiös gesinnten Teil der Bevölkerung die Möglichkeit innerer Erbauung so weit es ging zu stören.“ Leider sei es „auch heute immer noch so, daß […] öffentliche Dienste […] wie z.B. Kartoffelkäfersuchen oder Pflichtfeuerwehr […] auf den Sonntag angesetzt werden.“ Der Briefschreiber tut seine Meinung in klaren Worten kund: „Dieser Zustand muss meines Erachtens abgestellt werden. Wenn die Menschen eine Woche lang gearbeitet haben, dann muss ihnen ein Tag gehören, der durch nichts, aber auch durch gar nichts gestört werden darf.“

Wegen „der Grundsätzlichkeit Ihrer Eingabe“ antwortete der Landrat am 25. Juli 1946 dergestalt, dass er „sämtliche Bürgermeister des Landkreises Bergstraße angewiesen“ habe, „darauf zu achten, dass während der Gottesdienstzeit keinerlei öffentliche Dienste angesetzt werden dürfen.“ Allerdings lasse es sich „trotzdem nicht vermeiden […] dass beispielsweise Feuerwehrübungen oder auch Kartoffelkäfersuchdienst zeitweilig sonntags durchgeführt wird, da diese Maßnahmen im Interesse der Allgemeinheit und mit Hilfe aller dazu geeigneten Personen durchgeführt werden“ müssten.

Die Ausgleichsbemühungen des Staates zeigten sich auch in der Reaktion auf ein Schreiben des „Katholischen Männervereins Hirschhorn am Neckar“ vom 1. Oktober 1952 an den hessischen Ministerpräsidenten[ii], in dem Hirschhorn als überwiegend katholische Gemeinde bezeichnet wurde, wo „seit altersher der ‚Allerheiligentag’ und der ‚Maria-Himmelfahrts-Tag’ gesetzliche Feiertage waren“. Der Ministerpräsident wurde ersucht, „die beiden genannten Tage als gesetzliche Feiertage zu erklären.“ Am 14. Oktober 1952 erklärte dazu Fritz Bartsch von der Staatskanzlei in Wiesbaden, dass „das Recht, Feiertage, die für das gesamte Land nicht mehr gesetzlich sind, in einzelnen Orten auf Grund der Tradition doch als solche zu feiern […] durchaus auch heute möglich“ sei. Es bestünden deshalb seitens des hessischen Ministerpräsidenten „keinerlei Bedenken, wenn der Magistrat der Stadt Hirschhorn den Allerheiligentag für die Stadt als gesetzlichen Feiertag“ behandle.

[i] Name aus Datenschutzgründen anonymisiert.

[ii] Georg August Zinn (1901-1976), SPD, hessischer Ministerpräsident von 1950-1969.

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