Ostern — Tod und Auferstehung


Ostern — Tod und Auferstehung

menschliches Dasein im Horizont christlicher Existenz

 

25.02.2016

 

In seinem kleinen Bändchen „Gott ist kein Nostalgiker. Anstöße für die Fasten- und Osterzeit“ (2012, Herder-Verlag), setzt sich Franz Kamphaus mit dem Lebens-Sinn, dem Tod sowie der Auferstehung des Menschen auseinander. Beginnend mit dem „Aschermittwoch“ spannt er seinen Brücken-Bogen über Ostern bis auf Pfingsten. Sein auf 160 Seiten angelegtes Büchlein gliedert er wie folgt: Zuerst die Bibelstelle, in der christlichen Liturgie „Lesung“ genannt, die der jeweiligen Woche das Oberthema gibt. Sodann zu jedem einzelnen Tag ein kurzer Impuls-Text, der den Lesenden ins Nachdenken wie auch eigenständige Nach-Denken bringt, also in die Reflexion über den geschriebenen Text hinaus.

Kamphaus, der nicht nur als Münsteraner Theologie-Professor in verschiedenen leitenden Positionen tätig war, sondern auch das Amt des Limburger Bischofs innehatte, war und ist im eigentlichen Wort-Sinn ein „Brückenbauer“, ein „pontifex“, der nicht nur für Christen, Katholiken zumal, schreibt, sondern dem stets der ganze Mensch am Herzen liegt. Diesseits wie jenseits christlicher Theologie. Heute lebt er zurückgezogen als Seelsorger im St. Vinzenz-Stift, Aulhausen, einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen.

 

Der heutige Zeit-Geist lebt das Motto „for ever young„, gerade so, als ob es kein „tomorrow“, kein „morgen“ gäbe. Profanität und Immanenz als Maximen menschlicher Sinn-Gebung. Und die Menschen des „mainstreams“ huldigen diesem Geist, nicht bedenkend, was schon die griechische Mythologie darzustellen und darzulegen wusste: wer als Sterblicher ewig leben möchte, der sollte mitbedenken, dass er zum „Schatten seiner selbst“ herabsinken kann, nicht mehr wissend noch erinnernd, was und wer er einstmals gewesen ist. Vergessen löscht seine Persönlichkeit aus — und doch muss er weiterleben; das unbedachte „Glück“ als lebenslanger, als „ewiger“ Fluch. Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären 90 oder 180 Jahre alt, noch immer jung und schön wie „Adonis“, aber leider aufgrund einer (Demenz-)Erkrankung o.ä. völlig „ausgelöscht“. Ihr Körper wäre noch immer „jung“, aber zur Geist-losen Hülle herabgesunken, weil Sie sich weder an Ihre Um-Welt und Mit-Welt noch an sich selbst erinnern könnten. Ist dieser Zustand denn wirklich so erstrebens-wert — for ever young…—?

 

Völlig anders der Sinn und die Reichweite des Kamphaus-Büchleins. Hier wird der Mensch als „zerbrechliches Gefäß“, als Mensch des Scheiterns und Versagens, als „Wüste“ und „Ödnis“, als Zweifelnder und Verzweifelnder beschrieben. Vergängliches, zerbrechliches Welt-Sein. Seine Immanenz ist „Staub“, genommen von der „Erde“.

 

Diesem Menschen zwar gegen-über, aber stets zugewandt, ist Gott. Seine Wesens-Merkmale sind u.a. Liebe, Barmherzigkeit, Gnade, Vergebung, Treue, Geduld, Zu-Wendung, Huld. Er belässt dem Menschen dessen Freiheit. Selbst dann noch, wenn ebendieser Mensch Gottes Schöpfung mit seinen Kriegen und seiner Hab-Gier bedroht. Bedroht bis in den eigenen Untergang. Gottes Ja-Wort, Gottes Treue ist unverbrüchlich. Er steht zu seiner ganzen Schöpfung — mithin auch zum fortwährend scheiternden Menschen.

 

Anders als im Judentum und Islam, glauben Christen, dass Gott selbst in der Person und Gestalt des Jesus von Nazareth Mensch geworden ist. In der Gestalt und der Person Jesu ging Gott selbst ein Stück des Weges mit den Menschen, mit seiner ganzen Schöpfung. Seitdem ist Gott der Weg-Gefährte (Hetairos) wie auch der Freund des Menschen. Er kam in sein Eigentum, doch die Menschen erkannten ihn nicht, wie das der Evangelist Johannes sagt. Eigentümlich…—

In Jesus wurde Gott als Mensch geboren, nicht als König, nicht als Kaiser / „Imperator“, auch nicht als sagenhaft reicher „Kroisos“ oder sonst irgendein Macht-Haber, sondern als ein Mensch unter Menschen — erschreckend unbedeutend, geradezu ohnmächtig, als ein Zimmermann im von Rom besetzten „Judäa“. Von der Geburt in der Krippe bis zum Tod am römischen Schandkreuz — nichts als Armut, Scheitern, Unzulänglichkeit, ja geradezu Bedeutungslosigkeit. In den Augen der Welt ein Habe-Nichts und ein Niemand. Was für ein erschreckend nichtiger „Gott“! Alle anderen „Götter“ ringsherum waren doch mächtig, ja allmächtig! Jahwe etwa konnte mit seiner Sintflut alle „Ungläubigen“ vernichten; der kanaanitische Baal lenkte als Wetter- und Fruchtbarkeits-Gott die Geschicke der Menschen und im ägyptisch-babylonischen Mythos zerschmetterte er die Heere der Feinde; der griechische Zeus konnte mit seinem Blitz Mitgötter und Titanen vom Olymp herunterfegen; Jupiter Stator (der Erhaltende) schirmte Rom, die „Ewige Stadt“, mit seinen Waffen und schützte das Imperium Romanum mit seinem Schild vor Fährnissen und Gefahren. Aber dieser Christen-Gott — worin manifestiert sich seine Macht? Dieser Gott kann lieben. Seine Schöpfung und darin, als ein Teil davon, den Menschen.

 

In Jesus ging Gott mit den Menschen durch Leben und Tod. Was als Mensch am Kreuz ein Ende fand, das fand in der Auferstehung Vollendung. Wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben, wäre er, wie das Nikos Kazantzakis in seinem Roman „Die letzte Versuchung“ so wundervoll beschreibt, alt geworden im Kreise seiner Familie, wäre er ein Patriarch geworden, ehrwürdig, weise und von seinen Mitmenschen geachtet, dann wäre die Heils-Geschichte nicht fortgeschrieben worden. Gottes Menschheit wäre in der Immanenz dieser Welt stecken geblieben. Dann aber bliebe der Tod das eigentliche Ende menschlichen Lebens. Der Mensch, der als Jesus von Nazareth am Kreuz den Menschen-Tod starb, ist in der Auferstehung göttliche Vollendung geworden: Christós. Christus, das ist die Wiedergeburt des Menschen aus dem (Heiligen) Geist, wie dies im Nachtgespräch des Nikodemos treffend charakterisiert wird. Es ist die unabschließbare Eröffnung eines göttlichen, trans-zendenten Wirklichkeits-„Raumes“ für alles Mensch-Sein.

 

Binden wir das bisher Gesagte zurück (lat. religo; religio) an den Kamphaus-Text sowie den christlichen Glauben, so werden wir als Christen im Laufe unseres eigenen Lebens folgendes erfahren: Ja, wir alle sind als Menschen Scheiternde, Zweifelnde, Stürzende, Zerbrechliche, Vergängliche, Sterbliche — nichts, aber auch gar nichts Menschlich-Allzumenschliches bleibt uns erspart, nur deshalb, weil wir „Christen“ wären. Gott selbst ging in Jesus diesen menschlichen Weg durch diese Welt. Aber — und das dürfen wir als Christen glauben — da wir auf Christi Namen und seinen Tod hin getauft sind, und da Christus vom Tode auferstanden ist, so werden auch wir in Christus auferstehen (vgl. Paulus, Brief an die Römer, 6,3-11). Eine Liebe, stärker als der Tod. Gottes Ja-Wort sowohl an unser Leben, als auch als unsere Vollendung nach unserem Tod. Alles Schöpfungs-Leben endet im Ende des Todes. Vollendung jedoch ereignet sich erst nach unserem Tod. So der christlich-österliche Glaube.

 

Vor die Wahl gestellt: Lieber „for ever young“ sein zu wollen, oder aber mein Leben aus der Kraft einer christlichen Oster-Pfingst-Botschaft gestalten zu wollen, erscheint mir letzteres als das Erstrebens-Wertere und auch Vernünftigere. Wie bei der berühmten Wette des Blaise Pascal (vgl. Fragment: 83) haben diejenigen ja schon verloren, die auf das Vergänglichste aller immanenten „Güter“, die Jugend, gesetzt haben. Denn was uns in unserer Jugend noch als „groß“, als „mega-hipp“ und deshalb als erstrebenswert gegolten haben mag, das mag uns mit fünfzig oder sechzig Lebens-Jahren schon als unbedeutend, als von der Zeit überholt erscheinen. Und je näher wir auf unseren eigenen Tod zuschreiten, desto lächerlicher werden uns all unser gesellschaftlicher Status, all unser Geld und unsere Macht erscheinen. Wie könnten wir den Tod selbst mit unseren menschlichen Gütern beeindrucken, gar bestechen? Vanitas vanitatum…— Zuletzt wird — bezogen auf unsere Umwelt und Mit-Menschen bzw. Mit-Geschöpfe — wohl nur zählen, ob und wie wir sie geliebt haben. Und im Angesicht unseres Todes: Ob es uns gelingen wird, das „verheißene Land“ des Mose nicht nur zu schauen, sondern in Liebe zu „betreten“.

Und diese Verheißung, so will es mir wenigstens scheinen, gilt gleichermaßen für alle Menschen, die wahrhaft glauben, unabhängig von ihren divergierenden Religionen. Denn liegen wir Menschen nicht zusammen mit seiner ganzen Schöpfung Gott am Herzen…—? Ruhen wir nicht alle in seiner bergenden Hand? Trinken denn nicht alle Menschen, die wirklich glauben, aus ein und derselben Quelle, die nur verschiedene Brunnen speist…—?

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