Max Gorges als Bezirksgemeindearchivpfleger, Teil 2


Max Gorges als Bezirksgemeindearchivpfleger, Teil 2

 

Dokumentation und Präsentation der Arbeitsergebnisse

 

Im „Bergsträßer Anzeiger“ vom 14.2.1955 findet sich ein Artikel über die Neuordnung des Gemeindearchivs von Groß-Rohrheim, wo es u.a. heißt: „Mit dem 15. Jahrhundert treten wir in der Ortschronik von Rohrheim in eine Zeit, aus der im Archiv der Gemeinde Urkunden vorhanden sind. Bei der vor kurzem vorgenommenen Prüfung und Neueinrichtung der Archivbestände der Gemeinde Groß-Rohrheim durch das Staatsarchiv Darmstadt wurde festgestellt, daß das Archiv gut über die Zeit des letzten Krieges hinweggekommen ist.“ Nun wird im Artikel ein Streifzug durch die Jahrhunderte Groß-Rohrheims unternommen, die durch Gerichtsbücher, Urkunden, Grenzgangprotokolle oder landgräfliche Verordnungen illustriert werden. Ein „dicker Schweinslederband, der mit dem Jahre 1547 beginnt“, enthält Protokolle über „Gerichtsverhandlungen, Eheberedungen und ähnliche Sachen. Ueber drei Brände in Groß-Rohrheim wird auch darin berichtet aus den Jahren 1545, 1758 und 1824.“ Das Groß-Rohrheimer Gemeindebackhaus betreffend, erließ „der Landgraf Ludwig[1] aus seiner Residenz Darmstadt […] eine Verfügung“. Die zierliche, „mit vielen Schnörkeln […] geschriebene Urkunde“ liege „noch vor uns, als ob sie eben erst geschrieben wäre. Die eigenhändige Unterschrift des Landgrafen sieht wie gestochen aus.“ Zur Erhaltung der Gemeindegrenzen „wurden Grenzgänge an der Groß-Rohrheimer Gemarkungsgrenze durchgeführt. Vergilbt liegt ein Fragment eines solchen Grenzgangprotokolls vom 25.4.1655 vor“. Militär- und Kriegsangelegenheiten füllen „viele Aktenbände im Groß-Rohrheimer Archiv“. Kriegskosten durch „Franzosen 1791-1803, die […] Kais. Russ. Kavallerie 1814, der Alliierten Truppen 1813“ usw. seien dokumentiert. Der Artikel zieht das Fazit, dass „dem Heimatforscher […] im Groß-Rohrheimer Archiv nach seiner Neuordnung viel und wertvolles Material für seine Zwecke zur Verfügung“ stehe.

Die „Lampertheimer Zeitung“ berichtete am 23.3.1957 vom Ergebnis sechsmonatiger „mühevoller Arbeit“ des „bewährten Archivars, Herrn Gorges aus Auerbach“ und stellte dessen Tätigkeit im Stadtarchiv in Zusammenhang mit „dem Bestreben des Hess. Staatsarchivs Darmstadt, die Ordnung aller gemeindlichen und städtischen Archive des Landes Hessen nach einem einheitlichen Registraturplan zu ordnen“. Das „umfangreiche Material“ des Stadtarchivs Lampertheim war Max Gorges seinerzeit „zum größten Teil, vollkommen durcheinander, überlassen“ worden. Den Grund dafür nannte „Bürgermeister Günderoth […] bei seiner Grußansprache“ anlässlich der feierlichen Übergabe des geordneten Archivs an die Stadt am 22.3.1957 „in der Goetheschule“: Die „damalige Besatzung“ habe im Jahr 1945 „unsere Gemeindeurkunden […] vollkommen durcheinandergeworfen“, so dass „vieles Wertvolle dabei verloren“ gegangen sei. Die große Sorge der Stadtverwaltung sei es seitdem gewesen, diese Akten wieder in Ordnung zu bringen und zu erhalten. Nun sei es ein historisches Ereignis, alles geordnet wieder zurückzuerhalten. Max Gorges gab in seinem Redebeitrag einen Überblick zum Bestand des Stadtarchivs. Die ältesten Urkunden des reichhaltigen Archivmaterials stammten aus dem Jahr 1479. Im Dreißigjährigen Krieg, der den Archivbestand der meisten Städte und Gemeinden Hessens zerstört habe, seien die Lampertheimer Urkunden zum großen Teil gerettet worden und erhalten geblieben. Max Gorges erwähnte den bei der Feierstunde in der Goetheschule anwesenden Lampertheimer Heimatfoscher Carl Lepper (1886–1962), der – wie es im Artikel heißt – „alte Bücher, Karten und Urkunden“ zusammengefasst und verwahrt habe und so ebenfalls zu ihrer Erhaltung beigetragen habe. „Herr Gorges ging auf einige besonders interessante Urkunden näher ein und verstand es, die alten Bände, zum Teil in Schweinsleder gebunden, manche mit uralten Siegeln versehen, in lebendiger Wortführung in ihrer Bedeutung den Zuhörern nahezubringen.“

Im Artikel „Aus der schicksalsreichen Geschichte von Lindenfels“ des „Bergsträßer Anzeigeblatts“ vom 25. Januar 1958 wird Max Gorges’ Arbeit unter dem Gesichtspunkt der Entdeckung oder Neuentdeckung „historisch wertvoller Funde“ gesehen. So habe Gorges „die älteste urkundliche Erwähnung in Lindenfels“ gefunden. „Sie war eine Eintragung aus dem Jahre 1336, nach der Kaiser Ludwig der Bayer am 4. Mai seinen Vettern Rudolf und Ruprecht, Pfalzgrafen und Herzöge von Bayern, die Rechte verlieh, in ihrer Stadt Lindenfels jeden Montag einen Markt abzuhalten.“ Das Recht, ein „Weinumgeld“ zu erheben, habe Lindenfels – neben Schlierbach, Glattbach und Ellenbach – im Jahr 1392 durch Pfalzgraf Ruprecht den Älteren zu Heidelberg erhalten, und im Jahr 1404 erlaubte „König Ruprecht dem Bürgermeister, dem Rat und Bürgern der Stadt Lindenfels Bürger neu aufzunehmen. Er verbriefte ferner, daß diese Bürger nur bei dem Pfalzgrafen bei Rhein bezw. dessen obersten Amtsleuten verklagt werden durften. Er bestätigte außerdem der Stadt Lindenfels ihre verschiedenen Märkte und sonstiges Recht.“ Bis zum Jahr 1785 zieht sich die Reihe „aehnlicher Bestätigungen der hergebrachten Rechte und Freiheiten“ anhand zahlreicher Urkunden. Dieses und anderes Archivgut veranlasste Max Gorges in einer Denkschrift, das Archiv der Stadt Lindenfels als „ein Kleinod von geschichtlicher Bedeutung“ zu bezeichnen.

Auch im „Darmstädter Echo“ vom 15. Februar 1958 wurde von „aufschlussreichen Funden“ Max Gorges’ berichtet. So habe der Archivpfleger in Langwaden „eine Urkunde“ gefunden, „die die Besitzverhältnisse an einem alten Friedhof, über die sich Kirche und Gemeinde seit Jahren gestritten hatten, einwandfrei klärte“. Die Bezeichnung von Flurnamen in alten Urkunden Bickenbachs „gab auch überraschenderweise Aufschluß über die frühere Neckarbewässerung und über die von alters her bestehenden Beziehungen zwischen Bickenbach und Alsbach“. Weitere „beachtenswerte Funde“ machte Max Gorges etwa im Zwingenberger Gemeindearchiv, wo er „eine Weinrechnung für den General Tilly“ entdeckte, „der während des Dreißigjährigen Krieges eine Zeitlang in Zwingenberg bzw. Alsbach wohnte“, oder in „alten Akten“, wo er niedergeschrieben fand, „daß ein Obstdieb aus Bensheim nach Verbüßung seiner Gefängnisstrafe auch noch eine Prügelstrafe durch den Schullehrer über sich ergehen lassen mußte“.

Einen weiteren bemerkenswerten Fund Max Gorges’  im Lampertheimer Stadtarchiv meldete das „Darmstädter Echo“ im erwähnten Artikel vom 15. Februar 1958: „einen Sonderdruck aus der Mainzer Zeitschrift (Jahrgang XXX/1935), der eine interessante Epoche der Völkerwanderung (413 bis 437) behandelt. Es dreht sich dabei um ein vorfränkisches Gräberfeld in der Nähe des Biedensandes. Dieses Gräberfeld enthält u.a. auch die Reste eines Gräberfeldes des burgundischen Volkes, das in der Zeit von 413 bis 437 in Worms, Mannheim und auch im Ried gewohnt hat. Neben Skelett- und Urnengräbern gab es Brandgruben, in denen die Asche der Toten mit einzigartigen Erzeugnissen ihrer Kunst beigesetzt wurde. Hier ist vor allem eine burgundische Streitaxt zu nennen, ferner fand man Messer, Ringe und Halsreifen.“

 

Exkurs: Max Gorges als Heimatforscher

 

In Personalunion als Bezirksarchivpfleger für den Regierungsbezirk Darmstadt und Vorsitzender des Finanzausschusses der Stadt Bensheim stellte Max Gorges einen „historischen Rückblick“ an „zur Finanzwirtschaft der Stadt Bensheim im Laufe der Jahrhunderte“. Anlass seiner Reflexion war die „1000-Jahr-Feier der Verleihung des Marktrechtes an die Stadt Bensheim“ am 5. März 956 durch Otto I. Die „Verleihung des Marktrechtes“ sei „in frühester Zeit von grosser Bedeutung für die Finanzen einer Stadt“ gewesen. „Diese Bedeutung wuchs, als am 20. April des Jahres 1320 der Stadt Bensheim durch den Erzbischof v. Mainz die Rechte der Reichsstädte bestätigt“ worden seien (Hier erfolgte ein Klammerverweis auf die „Urk. i. Stadtarchiv“). „Etwa 20 Jahre später, im Jahre 1340“, habe „die Stadt bereits mit ihren Nachbarn Heppenheim und Lorsch in Grenzstreitigkeiten“ gelegen, „die erst durch Erzbischof Heinrich v. Mainz entschieden werden“ (Klammerverweis auf die „Urk. im Stadtarchiv“). Man sehe hieraus, dass die Stadt ihre „wirtschaftlichen Rechte, vorliegend auf dem Gebiete des Liegenschaftsbesitzes wohl zu wahren wusste“. Trotzdem habe sie es über sich ergehen lassen müssen, „daß erst im Jahre 1345, etwa 5 Jahre später, die Verpfändung der Stadt durch den Erzbischof Gerlach v. Mainz an den Grafen Johann zu Katzenellenbogen(!) durch Erstattung von 950 Gulden aufgehoben wurde (Klammerverweis auf die „Urk. im Stadtarchiv“). Soweit wie möglich habe die Stadt versucht, „in diesen Zeiten wie auch heute, Gelände im Sinne einer weisen Finanzwirtschaft anzukaufen. Durch eine Urkunde des Jahres 1370 bewilligte das Domkapitel von Mainz den Ankauf von 30 Morgen Ackerland durch die Stadt.“ Im Jahr 1405 habe die Stadt „lt. vorliegender Urkunde im Stadtarchiv Äcker und Wiesen, die sie von Wilhelm Jude v. Stein erworben“ habe, „für 60 Jahre an Hanne von Werberg“ verpachtet.

„Eine Reihe weiterer Vorgänge (Urkunden im Stadtarchiv)“ ließen es vertretbar erscheinen, „die finanzwirtschaftliche Lage der Stadt zur damaligen Zeit angesichts ihrer grossen Liegenschaftsvorkommen als gut zu bezeichnen“. Eine Urkunde von 1431 spreche „von einem Obermärker-Recht (Besitzrecht) der Stadt Bensheim über den Felsberg“; 1473 bestätige die Stadt Worms, „daß der Felsberg und die Halde der Stadt Bensheim gehören bezw. zustehen“, im Jahr 1473 sei die Obermärkerschaft der Stadt über den Felsberg erneut bestätigt worden; „tapfer“ habe die Stadt „wegen dieses Besitzes am Felsberg mit Reichenbach“ gekämpft und „ihn im Rechtsstreit am pfälzischen Hofgericht, 1474, 1476“ und 1477 behalten.

Trotz des großen Liegenschaftsbesitzes tauchten in Urkunden dieser Zeit „auch Anleihen von Kapitalien“ auf, was nicht verwunderlich sei, „beschäftigt sich doch auch noch heute die Stadt mit der sogenannten ‚Verkraftung’ durch Kapitalaufnahmen“. Schuldscheine datierten aus den Jahren 1378 und 1382. Der Kapitalbedarf habe sich auch im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte fortgesetzt und sich besonders in Kriegszeiten verstärkt. Im Jahr 1511 sei die Stadt zwar in der Lage gewesen, „200 Gulden lt. Schuldschein dem Pfalzgrafen Ludwig auszuleihen“, habe dagegen 1592 „wegen ‚der Gefahr vom lothringischen Kriegsvolk’ mit kurfürstlicher Genehmigung 3000 Gulden“ aufgenommen. Nach einer weiteren Anleihe in Heidelberg von 400 Gulden im Jahr 1608, habe der Dreißigjährige Krieg „auch die Finanzwirtschaft der Stadt Bensheim“ bedrückt. 1621 wurden 1000 Gulden geliehen, 1623 2000 Gulden und „im gleichen Jahre nochmals 2000 Gulden für Kornankauf“. Wegen der wachsenden Schulden habe es der Rat der Stadt „für tunlich erachtet, ein eigenes Aktenstück mit den ‚Stadtschulden’ ab 1620 laufend anlegen zu lassen, das sich noch heute im Stadtarchiv befindet“.

„Gewaltig“ seien „in diesen Zeiten aber auch die Ausgaben“ gewesen, „die mit den damaligen Kriegen zusammenhingen und vielfach Verschlechterungen in der Finanzwirtschaft der Stadt hervorriefen. Dicke Aktenbände ruhen aus dieser Zeit im Archive der Stadt und weisen die Gelder nach, die Bensheim in seinem Finanz-Etat durch Jahrhunderte nebenher zu verkraften hatte. Da liegen sie – die Kriegskostenrechnungen[,] z. Teil mit Belegen der Zeit von 1650/51 (Kriegskontriebutionsgelder[!]), von 1681 betreffend die Kriegssteuer, von 1745 betr. die Places-mortes-Gelder, von 1757 betr. die Römer-Monate, von 1758/60, 1759/61 betr. Fouragelieferungen, von 1794/1800, 1703/1799, 1801/02, 1806 betr. die sogen. Bons [,] von 1808/09, 1813/20, 1806/20, 1848/49 betr. Feldzug in Baden, von 1866 und 1870 betreffend Kriegsfuhren und Fouragen.“ Wenn die Stadt „diese Geldausgaben im Laufe der Zeiten verkraftete“, so habe dies „für den starken Sinn seiner Bürgerschaft und für die Güte seiner Finanzwirtschaft“ gesprochen.

Max Gorges führt in einem weiteren Absatz das „Fürsorge-Wesen“ an, das „im Rahmen einer geordneten Finanzwirtschaft […] zum Wohle der Bevölkerung durch die Jahrhunderte mitverwaltet“ worden sei und nennt als Beispiel u.a. „Rechnungen der Ritzhautschen-Stiftung des Jahres 1525/1711, desgl. der Klausen-Stiftung von 1537/1730“ oder „der Mibbous’schen Stiftung von 1737/71“. Damit komme er „bereits in das Ressort der eigentlichen Finanzwirtschaft der Stadt im engsten Sinne seiner Bedeutung“. Die „Bürgermeister-Rechnungen […] geben hierbei ein genaues Bild der Finanzwirtschaft der Stadt vom Jahre 1508/1820 mit Belegen seit 1665 bezw. seit 1711 ab vollständig und durch die sogenannten Schatzungsrechnungen von 1611/1777 z.T. mit Belegen. […]. Die Ratsprotokolle der Jahre 1601/1873 mit Urkunden von 1782/1813 dürften als Grundlage der Finanzwirtschaft der Stadt im engeren Sinne anzusehen sein.“[2]

 

Schlussbemerkung

 

„In verstreuten, doch insgesamt zahlreichen kleinen deutschen Dorfarchiven tut sich“ nach Martin Burkhardt „eine großartig reiche Quellenlage nicht nur zur Lokalgeschichte, sondern auch zur Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftsgeschichte des 16. bis 20. Jahrhunderts auf“. Städtische Archive böten „über das Verwaltungsschriftgut hinaus auch reichhaltige, nicht nur ortsgeschichtlich, sondern allgemein kulturhistorisch bedeutende Sonderbestände und Sammlungen“.[3] Dieses Lob des Kommunalarchivs korrespondiert mit einer Aufwertung der sogenannten Heimatforschung seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. War Heimatforschung bis dato thematisch und methodisch dem Verdacht der Provinzialität ausgesetzt, wurde sie mehr und mehr als Mosaikstein der „großen Geschichte“ anerkannt.

Max Gorges lässt sich als ein Pionier dieser Entwicklung im Regierungsbezirk Darmstadt beschreiben. Bereits Ende der fünfziger Jahre betonte er in einer Denkschrift die Bedeutung der kommunalen Archive, durch die es möglich sei, „eine längst verklungene Vergangenheit zu neuem Leben zu erwecken, Freud und Leid, Streben und Sorgen, Rechtspflege und Wirtschaftsleben alter Vorfahren heraufzuführen, vor allem dem eigenen Land, dem eigenen Wohnort, ja der eigenen Familie die historische Perspektive, nicht in kahlen Worten und abstrakten Begriffen, sondern in blutvollem Geschehen, zu verleihen“. Immer noch Skeptischen hält er den offenbaren Nutzen des kommunalen Archivs entgegen, „wo durch alte Archivbestände brennende Rechtsfragen der Gegenwart unerwartet geklärt worden“ seien.

Eine Idee Max Gorges’, die nicht verwirklicht worden ist, sei noch genannt, nämlich dass „die Geschichte der einzelnen Stadt und Gemeinde […] in den Schulen mit warmer Teilnahme dem jungen Geschlecht“ nahegebracht werde. „Die Einbeziehung der Lokalgeschichte in den Geschichtsunterricht wird offiziell nicht gefordert, was ich bedauere“, schrieb der Leiter der Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl in Bensheim, Franz Josef Schäfer, an den Verfasser. Die Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl, gegründet in den 90er Jahren von den Historikern und Pädagogen Peter Lotz und Franz Josef Schäfer, bietet jedoch schon ein Beispiel dafür, dass vielfach mit Auszeichnungen versehene regionalhistorische Untersuchungen im schulischen Rahmen möglich sind. Das Motto der Geschichtswerkstatt „Grabe, wo Du stehst“ macht Heimatforschung in Bensheim zu einem erfolgreichen Modell.[4]

Der Heimatforscher bahnt den Weg vom unbestimmten Heimatgefühl zum Heimatbewusstsein. Er baut damit der unkritischen und bei aller Sentimentalität immer auch das Moment der Aggression beinhaltenden Heimattümelei vor. Die Liebe zum Objekt, die ihm von professioneller Seite als abträglich im wissenschaftlichen Sinne ausgelegt wurde (oder gar noch immer wird), stellt nur den Ausgangspunkt seiner Bemühungen dar. Wissen zu wollen, was in der Heimat geschah, bevor man selbst in ihr lebte, bedeutet nichts anderes, als der Verwurzelung des eigenen Daseins in einem allgemeinen Sinne nachzuforschen. Sich des eigenen geschichtlichen Herkommens bewusst zu werden, hat politische Bedeutung, weil Bewusstheit Fremdbestimmung erschwert. Heimatforschung macht somit aus regionaler Perspektive die öffentlichen Archive zu einer weiteren Säule der Demokratie. – Da mag der Enthusiasmus wieder gelten können, den Goethe als Bestes der Geschichtsforschung bezeichnete.

 

 

 

 

 

[1] Ludwig V. von Hessen-Darmstadt (1577-1626).

[2] Max Gorges wollte in einer weiteren Abhandlung auf die Ratsprotokolle „und auch auf die Bgm.-Rechnungen noch zurückkommen“; ein solches Schriftstück konnte der Verfasser nicht ausfindig machen.

[3] Burkhardt, Martin: Arbeiten im Archiv. Praktischer Leitfaden für Historiker und andere Nutzer. Paderborn 2006, S. 23. Siehe auch: Lange, Thomas (Hg): Schülerarbeit im Archiv. Weinheim, Basel 1993.

[4] Vgl. lakk.bildung.hessen.de/netzwerk/geschichtswerkstatt/index.html. Die Literatur zum Thema Regionalgeschichte und Unterricht ist vielfältig, etwa: Koch, Peter: Heimat oder Region? Grundzüge einer Didaktik der Regionalgeschichte. Frankfurt am Main u.a. 1984; Fritz, Gerhard (Hg): Landesgeschichte und Geschichtsdidaktik. Festschrift für Rainer Jooß. Schwäbisch Gmünd 2004 (Gmünder Hochschulreihe; 24); Reeken, Dietmar von: Historisches Lernen im Sachunterricht: eine Einführung mit Tipps für den Unterricht. Baltmannsweiler 2012 (Dimensionen des Sachunterrichts; 2).

 

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