Lili geht fliegen…


So lange ich denken kann, kenne ich die schlaksige, spinndürre Lili, die fliegen möchte. Tag ein, Tag aus erzählt sie ihren Freundinnen und einigen anderen Bekannten ihr Vorhaben. Heute hat sie sich tatsächlich entschlossen, fliegen zu gehen. Bei ihrem Entschluss half ihr ihr Adonis. In blasé way versprach er ihr, ihrem letzten Wunsch gerecht zu werden. Mit seinem Bermuda-Tan und seiner aalglatten, schlüpfrigen Don Juan Haarpracht verließ er sein Vagabundenleben und eilte zur kauzigen Lili. Prosaisch versprach er ihr auch, bis ans Ende ihres Lebens an ihrer Seite zu bleiben. Lili – obzwar sie super schnieke und pikfeine Dame immer war – erfuhr von ihrem Arzt, sie habe Krebs, der nicht langlebig sei. Seitdem vermeidet Lili das Getöse, das von ihren Artgenossen, den Menschen, und ihresgleichen veranstaltet wird, das sie als Affenspektakel erachtet. So läuft Lili seitdem nicht selten rammdösig über die Straße und veranstaltet ein Hupkonzert, ehe sie giggelnd wieder von der Straße springt und plötzlich anfängt zu grunzen.

Aber mit der, zuvor zimperlichen, immer schmuck aussehenden Lili vollzog sich noch eine weitere Veränderung. Sie äffte ihrer drollig-üppigen, immer in ihrer Gucci-Tasche Naschkram tragenden kräuselnden mammuthaften kleinlauten Freundin Dolly nach. So süppeln sie gemeinsam perlmutt-fließendes Naschwerk aus einem Kelch und kichern über vorbeigehende Passanten. Gewöhnlich regt sich Dolly so lange über Lilis Adonis auf, bis sie einen rasa Bubikopf bekommt. Er sei ein sickernder Pharisäer, ein nässender Débouchant, ein pferdegesichtiger Einfaltspinsel, der jede Gelegenheit beim Schopf packt, um Lili zu düpieren, der sowieso verduftet, wenn Lili ihn wirklich braucht. Jener wiederum späht Dolly an und verkündet mit hämischen Grinsen, Dolly sei ein Lügenmaul, ein lumpiger, beduselter, opulenter Cherub, eine trottelnde Trotteline, die tapsend, wenn sie, weil sie vor Neid um das Aussehen der ausgemergelten Lili, schummerig, mit ihrem Leibchen ihre Fettpölsterchen versteckend, bäuchlings und in grauenerfüllter Trance und mit geistiger Unterbelichtung abzischt, weil sie merkt, dass Lili sich nicht unter die Knute halten lässt, und die immer wieder versucht zu hintertreiben, dass Lili so heißblütig ihren Lover taxiert. Doch weil beide um Lilis Leben fürchten, versprechen sich beide dienstbeflissen zu sein und Lilis Krebsleben beselige Stunden zu ermöglichen.

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