Jedes Volk hat die Regierungs-Form, die es verdient…,
nach Joseph Marie Comte de Maistre (1753-1821)
23.04.2025, Teil III, III
— Fortsetzung —
Europas nationalistische Zeitenwende —
der Seiten-Wechsel zur Nationalstaatlichkeit früherer Jahrhunderte
Abschluss der „Brexit“-Reihe
Das gewählte Beispiel des sog. „Brexit“ sollte lediglich dafür dienen, wie nationalistische Stereotypen und Narrative ein und dieselbe Gesellschaft, ein „Land“, bis an den Rand eines Bürgerkrieges zu spalten vermögen. Denn auch beim Brexit ging es nicht um den Austausch von sachlichen Argumenten sowie einem vernünftigen Abwägen eines „Pro“ und „Contra“, wie es der demokratische Diskurs ermöglicht und auch einfordert. Vielmehr ging es Nigel Farage, Boris Johnson, und den sog. „Brexiters“ darum, via Hass und Hetze, gepaart mit verletzender Ironie, beißendem Spott, übelsten Beleidigungen aller Couleur die „Sache der Demokratie“ zu diskreditieren. Die Öffentliche Meinung wurde sowohl zum „Spielball“ als auch zum verbalen Schlacht-Feld der niederen Gefühle, die die verschiedenen Akteure und Protagonisten (vgl. antikes Theater…) mit ihren persönlichen Überzeugungen zu unüberbrückbaren Meinungs-Klüften verbreiterten und vertieften. Farage und seine „Britain First!“-Bewegung, Johnson und die „Vote Leave!“-Organisation nutzten die von ihnen geschaffene „Gunst der Stunde“, um sich selbst an die Spitze der Brexit-Bewegung zu katapultieren und in ihrer jeweiligen politischen Position — Farage als „Meinungs-Führer“, Johnson als Premierminister — den von ihnen geforderten Brexit gegen alle Widerstände durchzusetzen. Der Brexit war, wenn man so sagen möchte, ihr Zeitvertreib, ihr „Steckenpferd“, ihr plaisir, so wie frühere britische „Eliten“ zur Jagd ausritten…—
Dabei ging es, ich wiederhole mich erneut, nicht um einen Austausch von Argumenten, sondern um eine Gegenüberstellung von Fakten (Cameron, et al.) versus Propaganda-Lügen (Farage, u.a.); es ging in diesem Macht-Kampf nicht um Wissen, sondern um ideologischen, teils auch fanatischen Glauben (vgl. die Überzeugungen des Attentäters Thomas Mair); anstatt überprüfbare Tatsachen wurden von den „Brexiters“ zumeist haltlose bzw. völlig frei erfundene Behauptungen kolportiert (vgl. die angeblichen Zahlungen an „Brüssel“ […350 Mio. br. Pfund pro Woche…], die bekannten Täter-Opfer-Narrative hinsichtlich GBs als einem Land „am Gängelband“ des Kontinents, etc.pp. …). Des weiteren ging es Farage und seiner nationalistischen Bewegung nicht um einen an Fakten orientierten Diskurs, vielmehr setzte er auf Indoktrination (z.B. Schaffung, Auf- und Ausbau des Feindbildes „EU“: z.B. EU ist Fremdbestimmung, ist gleich Kommunismus, etc.pp.; Wiederherstellung der eigenen Souveränität über „britische Grenzen und Gewässer“, etc.pp.). In diesen Kon-Text gehört auch, dass seriöse Nachrichten zu Fake News degradiert und tatsächliche Fake News zu allgemein gültigen, scheinbar evidenten, „ewigen Wahrheiten“ erhoben wurden (vgl. u.a. die reale Gefahr eines wirtschaftlichen Absturzes versus den o.g. „Visionen“ Johnsons; oder Farages surreale Forderung, es gelte das britische, kulinarische Heiligtum des „Fish & Chips“ vor Übergriffen der EU zu schützen…). Flankierend wurden innerhalb dieses voranschreitenden stets radikaler geführten Meinungs-Prozesses sachliche Informationen zu verschiedenen Fakten und Tatsachen (seitens Brüssels, seitens Camerons) durch Stereotypen der Brexiters konterkariert. Nach innen dienten die verwendeten Stereotypen und Narrative u.a. der Schaffung eines grundlegenden Zweifels an und in den britischen Staat und seiner verschiedenen Instanzen (vgl. Johnsons Aufruf, das Volk müsse nun gegen die Politiker / politischen Eliten kämpfen…). Auf unterschiedlichsten Ebenen wurde systematisch Misstrauen geschürt und gewachsenes Vertrauen zersetzt, zerrüttet, zerstört; bis hinein in die Familien-Beziehungen reichte diese ideologische Saat des Zweifels, der Zwietracht und des Hasses. Geltende staatliche Gesetze, Verträge und Vereinbarungen seitens „Brüssels“ wurden dem britischen Volk dabei von Farage und Johnson etwa als „Knebel“, „Fesseln“ und „Ketten“ verkauft, während die „Law and Order“-Bewegung einer Autonomie das Feld bereitete, worin das Recht einer (Lynch-)Justiz in die Hände jedermanns, mithin des gewaltbereiten Pöbels, verlegt wurde. Das Gewaltmonopol des britischen Staates drohte durch die Rechtspopulisten bzw. Rechtsextremisten vorübergehend ausgehebelt zu werden, da der nationalistisch orientierte und aufgemischte Mob zeitweise das Land „regierte“.
Gleichwohl gehört m.E. auch dies zur ganzen „Wahrheit“, dass weder Farage noch Johnson eine englische, nationalistische Diktatur, zugeschnitten auf die eigene Person, errichten wollten. Bei allem politischen Wirrwarr und Hickhack im Zuge des Brexit blieb doch eine Integrationsfigur für das Vereinigte Königreich bestehen: die Queen bzw. der König. Die britische Monarchie war und ist das eigentliche Rückgrat der Gesellschaft; über alle Parteiungen, Bewegungen und gesellschaftlichen „Gräben“ hinweg. Vertreten und gegenwärtig durch die Person Queen Elizabeth II., war diese schlichtweg unantastbar und auch unersetzbar. Die Queen stand, von 1952 bis 2022, über allen politischen Querelen und Ereignissen: vom Nordirland-Konflikt bis zum Brexit, vom Falklandkrieg bis zur Unabhängigkeit Hongkongs…—
Jedoch zeigt nach meiner Einschätzung das Brexit-Beispiel zudem, dass der nationalistische Populismus stets der Vorreiter eines wie auch immer gearteten nationalistischen Extremismus ist. Und: dass er sehr leicht zu „exportieren“ ist (vgl. u.a. Weidels Ansichten zum Brexit-Thema). Heiße er nun „Français d’abord!“, „Britain First!“ oder „America First!“. Er dient ausschließlich dem Umsturz, der Usurpation, der Schaffung eines politischen System-Wechsels, weg von der Demokratie und hin zur Diktatur — entweder in der Form einer Autokratie anhand des „Führerprinzips“ („…ein Volk, ein Reich, ein Führer“; Postfaschisten, Neonazis, etc.), einer „Tyrannis“ im Sinne eines „der Staat bin ich!“ (wie in China), oder aber einer Oligarchie im Sinne einer Clan- oder Cliquen-Herrschaft, die den Staat auf verschiedenen Ebenen missbraucht (etwa, indem sie demokratische Strukturen wie unabhängige Gerichte und Freiheits-Rechte abbaut, gleichzeitig sich selbst außerhalb oder über jegliches Gesetz stellt…) oder diesen wirtschaftlich ausplündert, um sich selbst zu bereichern. So wie es etwa in Putins korrupten Russland mit seinen Gas-, Öl-, Rohstoff-Oligarchen und heute auch in Trumps Amerika (durch sein Oligarchen-„Kabinett“, seine Mafia-„Firma“), geschieht.
Aber gleichviel, was uns die nationalstaatlichen Ideologien an Mythen und Propaganda auch vorgaukeln (werden), die eigentliche Zeche zahlt wie ehedem das Volk — entweder materiell, indem es in eine wirtschaftliche Notlage und Rezession gerät, oder ideell, indem es seiner ehemaligen Freiheits- und Menschen-Rechte beraubt wird. Und beides sind ja auch die bekannten realen Folgen des Brexit für das Vereinigte Königreich (vgl. Rezession, Inflation, menschenunwürdige Asylpolitik unter Rishi Sunak…).
— Fortsetzung folgt —