Jakobsweg – von Isco nach Tiebas


Der Bericht schließt an den vorherigen Beitrag „Etappe nach Izco“ an.

Frühstart – Die Wanderschuhe sind zum Glück doch vollständig getrocknet. Es kann ein guter Tag werden. Ich versuche immer schon am Abend alles vorzurichten. Ganz leise mache ich mich fertig. Kontrolliere ob meine Ausrüstung komplett ist. Bin zufrieden und mache mich auf den Weg. Es ist für mich ein unbeschreiblicher Genuss in den Tag zu wandern. Alles schläft noch. Eine Katze läuft ein Stück des Weges mit mir. Enttäuscht wendet sie sich ab. Sie hat sich wohl ein Leckerli von mir erhofft und ist jetzt sehr beleidigt

Ich pfeife ein Lied vor mich hin. Vorsicht Pilger: „Vögel die am Morgen pfeifen, frisst am Abend die Katze“. Wieso bin ich so gut gelaunt, bin doch eigentlich gar kein Frühaufsteher? Der Weg ist bequem und ich stelle fest, dass ich bereits über eine gute Kondition verfüge. Wahrscheinlich rührt da meine gute Laune her.

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Erste Station: Monreal

In kürzester Zeit ist Monreal erreicht. Über die alte Römerbrücke komme ich in den kleinen, schmucken Ort. Eine kleine Bar lädt mich förmlich zum Frühstück ein. Beim Frühstück bleibe ich nicht lange alleine. Peter, Silvia und Gino treffen ebenfalls ein. Großes Hallo. Solche ungeplanten, zufälligen Begegnungen, die mag ich sehr. Man unterhält sich über Belangloses, frozzelt ein wenig herum, nimmt sich gegenseitig auf den Arm – und lacht zusammen. Das ist einfach erfrischend und die richtige Motivation für’s weiterwandern. Peter dreht sich noch eine seiner ominösen Zigaretten. Das Urlaubs-Beziehungs-Paar bestellt sich jetzt den zweiten Café. Und ich – verabschiede mich.

Es geht gleich bergauf. Im Bogen geht es um den Monte Higa. Ich laufe oberhalb der Autobahn. Passiere die Dörfer, Yarnoz, Otano und Ezperun. Richtung Norden ist bereits Pamplona zu erkennen. Es ist wieder herrliches Wanderwetter, bei einfach unglaublichen Ausblicken. Die Strecke ist  ziemlich anspruchsvoll und verlangt volle Konzentration für den ausgetretenen Pfad den ich beschreite. In Tiebas habe ich mein Tagesziel erreicht. Hier gibt es eine kommerzielle, moderne Pilger-Unterkunft, die ich schnell ausfindig gemacht habe.

 

Tagesziel Tiebas

Zwei Frauen die gerade in einer sehr wichtigen Besprechung sind, erklären mir, dass der Hospitalero in der Bar zu finden wäre. OK, da weiß ich ja Bescheid wo ich hin muss. Die Bar ist eigentlich ein großer Saal. An einem großen Tresen, an dem problemlos 50 Personen Platz haben, sitzt der Herbergsvater beim Wein. Ich spreche ihn an. Genüsslich leert der Gesuchte sein Glas, verabschiedet sich gestenreich, oder er erklärt, dass er gleich wieder da ist? In der Herberge angekommen weist er mich dann in die Geheimnisse des Refugios ein. Ich erhalte einen Nummern-code, damit ich die Eingangstüre öffnen kann. Die Wanderschuhe sind  bitteschön – direkt am Eingang auszuziehen und kommen in ein separates Schuhfach. Getränke können beim Señor erworben werden. Man kann sich aber auch am Getränkeautomat bedienen. Mit dem Duschwasser ist gefälligst sparsam umzugehen – und Sauberkeit sei hier das oberste Gebot. Ich bedanke mich artig für die Aufklärungen und werde dann in allen Ehren entlassen. Señor, zieht von dannen.  Ich bin wieder der erste Pilger heute und habe somit vollkommen freie Hand und Auswahl. – So richte ich mich für die Nacht ein.

Silvia und Gino treffen ein. Sie erzählen lachend von den gleichen Erlebnissen mit dem Hospitalero. Wir sind jetzt zu Dritt im Zimmer, besprechen wie wir den heutigen Abend gestalten werden. Ich hatte mich bereits erkundigt, erläutere den Beiden, dass in der Bar auch ein Pilger-Menü angeboten wird und ich beim Wirt bereits mein Nachtessen bestellt habe. Anschließend starte ich zu einem kleinen Rundgang durch das Dorf.

Nennenswert ist die Kirche Santa Eufemia, aus dem 14. Jahrhundert, so entnehme ich das meinem Reiseführer. Leider ist die Kirche verschlossen. Von der heiligen Eufemia hatte ich bisher noch nie etwas gehört. Die Dame lebte im 3. Jh. als römische Patrizierin und war Tochter des Senators in Konstantinopel. Ihr  Bekenntnis zum christlichen Glauben brachte ihr den Märtyrertod. Warum eine Kirche in Nordspanien einer Heiligen aus dem fernen Konstantinopel geweiht ist, kann sicherlich an anderer Stelle nachgeschlagen werden. Für heute soll es genug der Kultur sein. Auch die als Sehenswürdigkeit angepriesene Burgruine aus dem 13. Jahrhundert kann mich jetzt nicht weiter interessieren. – Ich habe Hunger!

Großes Hallo im Refugio. Auch Peter ist eingetroffen. Er hatte in Monreal die Wegbeschreibung eines Einheimischen vollkommen falsch ver-standen und aus diesem Grund, von dem Frühstücks-Café aus, in gerader Linie den Monte Higa erstiegen. Er wurde von zwei Polizisten aufgegriffen und ein Stück des Weges hierher chauffiert. Wir albern ein wenig herum. Irgendwie benehmen wir uns gerade nicht wie er-wachsene, gestanden Pilger. Gino erzählt einen zotigen Witz über den sich Gina echauffiert.

Peter erklärt den Beiden, dass er in Ebermannstadt wohnt. „Das kenne ich“ erkäre ich ganz beiläufig. „Außerdem mag ich den Streitberger Bitter“, ergänze ich noch. Peter lässt sich theatralisch auf den Boden fallen, macht einige Verrenkungen und kann sich gar nicht darüber beruhigen, hier in den Pyrenäen jemanden zu treffen der Ebermannstadt kennt, das Annafest in Forchheim und Vierzehnheiligen.

Wir brechen gemeinsam auf. Sind bester Laune. Helen trifft gerade ein. Sieht ziemlich erschöpft aus. Wir erklären ihr unser Ziel und bitten sie nachzukommen.

 

Begegnungen im Refugio

Wir stellen fest, dass die Bar eigentlich tatsächlich mehr ein Großraum ist in dem sich die Ortsbewohner am Abend treffen. Der Tresen ist jetzt voll besetzt. An der gegenseitigen Wand hängt ein Monstrum von Fernseher der in voller Lautstärke läuft. Es wird gerade ein Fußballspiel übertragen. Man versteht sein eigenes Wort kaum. Wir bekommen einen Tisch zugewiesen, können uns nur in großer Lautstärke unterhalten, bzw. passen uns der Allgemeinheit an. Man gewöhnt sich tatsächlich. Das Pilgermenü ist heute eine große Enttäuschung.

Die undefinierbaren Fleischstücke werden von uns strikt verschmäht. Die Kartoffel-Beilagen und Soße müssen heute reichen. Wein wird uns heute auch keiner gereicht. Der Wirt bringt uns dafür große Maßkrüge mit Bier, die wir am Tisch kreisen lassen. Stellt er eventuell mit Bier, und uns Pilgern aus Deutschland eine Verbindung her, der wir nicht folgen können? Ist uns egal. Das Bier schmeckt und die Stimmung am Tisch ist – bierseelig!

Wie das Fußballspiel ausgegangen ist, wer gegen wen spielt ist an unserem Tisch kein Thema. Für die Señores schon. Nach dem Spiel wird lautstark diskutiert und wild gestikuliert. Der Wirt macht heute ein gutes Geschäft. Er bringt uns, nach der Begleichung der Rechnung, noch einen großen Humpen auf seine Rechnung. – Danke.

Helen, die sehr reserviert wirkt, erzählt mir, dass der Besuch in Leyre ihre Erwartungen voll erfüllt hat. Sie taut jetzt richtig auf. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von den Gesängen der Mönche, der besonderen Lage des Klosters und den Besonderheiten des Klosters selbst. Sie vermittelt mir eine große Zufriedenheit, das vorbestimmte Reiseziel erreicht zu haben. Ich freue mich neidlos für sie. Peter hat uns dankenswerterweise bei unserem Gespräch als Dolmetscher unterstützt.

 

Die erste Hilfe Tasche

Und Peter hat im Refugio dann ein sehr großes Problem. Welcher Art ist mir nicht schlüssig. Meine Frau Hilde hat mich für meine Reise mit Medikamenten für evtl. Notfälle ausgerüstet. Ich habe keine Ahnung welche Schätze ich da mit mir führe. Offenbar konnte ich jedoch Peter mit irgendeinem Mittelchen aus einer großen Verlegenheit helfen. Er bat mich jedenfalls meiner Frau ein besonders großes Dankeschön für ihre Umsicht auszurichten. Wird erledigt. Peter möchte gerne morgen mit mir weiter wandern. Ich erkläre ihm mein Tagesziel und sage ihm dass es toll wäre ihn Morgen dort wieder zu treffen. Er hat verstanden. Ich will Einzel-Pilger bleiben. Es wird an diesem Abend noch viel gelacht. Ich glaube wir alle wissen, dass sich unsere Wege trennen werden. Und keiner will es so richtig wahr haben.

Es ist unglaublich angenehm gute Wegkameraden zu finden. Mit Sicher-heit ist es eine der Besonderheiten des Jakobweges, ein Zimmer mit voll-kommen fremden Menschen teilen zu müssen. Menschen, die sich nie vorher gesehen haben. Die sich, jeder auf seine Art, darstellen, mitteilen und wirken. Jeder hat seine Eigenheiten, seine Vorstellungen, oder Erwartungen für die Wanderung auf dem Jakobsweg. Auch der Anlass für eine wochenlange Pilgerschaft ist bei jedem Einzelnen grund-verschieden. Mit der nötigen Rücksichtnahme, der Toleranz und dem nötigen Verständnis bei den jeweiligen Begegnungen, wird jeder Pilger reich beschenkt nach Hause zurückkehren. Heute fühle ich mich von meinen Zimmerkameraden beschenkt und hoffe, ebenfalls ein Schenker gewesen zu sein.

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