Ich bin Papst


ICH BIN PAPST, ein Theaterstück:

 

Ich bin Papst. Ich bin Papst und ich bin gerade gestorben. Davon gehe ich aus, denn ich bin, nein, ich war unheilbar krank und lag da, in meinem Bett und starb.

Ich atmete aus und nicht mehr ein. Seitdem atme ich nicht mehr. Kein einziges Mal. Ich bin tot.

Ich bin Papst. Ist man auch Papst, wenn man tot ist? Ich bin, nein, war Stellvertreter Gottes auf Erden und ich bin … Nichts passiert. Ich bin hier, tot, ganz eindeutig, kein Zweifel und nichts passiert. Mucksmäuschenstill … Mein Herz schlägt nicht. Es muss doch jetzt bald mal einer kommen und mich….

Ich bin, nein, war Papst und … Soll ich beten? Vielleicht ist das der Grund, warum ich noch da bin. Weil ich beten soll?

Ich bin, war der Papst und ich bin immer noch da und tot und … vielleicht muss ich nur etwas warten und bereit sein, abgeholt zu werden … Wenn einer bereit ist, dann doch wohl ich! Das hätte ich so nicht sagen sollen.

Ich bin der Papst! War der Papst. Ich bekomme tatsächlich Zweif… ich darf nicht … Vielleicht bin ich deshalb noch…

„Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name – ich werde ruhiger und die Kraft Gottes strömt durch mich – dein Reich komme, dein Wille geschehe – und ich spüre das wohlige Gefühl des Heiligen Geistes, der in mir wohnt – wie im Himmel … Da! Jetzt kommt jemand. Ich werde abgeholt. Beten. Das war es.

 

Ein Engel holt mich?

 

Ich bin kein Engel, ich bin Papst, war Papst und ich kann dich nicht holen. Ich werde geholt.

 

Oh Gott!

 

Von Gott!

 

Wann sind Sie gestorben?

 

Eben erst!

 

Oh Gott!

 

Papst. Der Stellvertreter.

 

Franz Stellig. Mörder!

 

Bitte?

 

Franz Stellig!

 

Nein! Das, was danach kommt!

 

Mörder. Genauer gesagt: Kindermörder … ich habe sie getötet, nachdem ich sie … und jetzt bin ich tot und der Papst holt mich ab?

 

Wir beide werden abgeholt!

 

Sie holen mich also nicht ab.

 

Nein! Bedaure.

 

Haben Sie eben gebetet? Haben Sie eben gebetet, um abgeholt zu werden?

 

Ich bete, aber nicht um abgeholt zu werden.

Doch, ich bete, um abgeholt zu werden …

 

Sie sind Papst und ich bin Kindermörder, der sich in seiner Zelle erhängt hat …

 

Die Wege des Herrn …

 

Das sagt Ihr immer, wenn … es tut mir leid Herr Papst, ich wollte Sie nicht …

 

Ich vergebe dir!

 

Alles?

 

Das von eben!

 

Ach so!

Trotzdem Danke!

Also, dass Sie und ich, dass wir zusammen sind und uns … unterhalten, das ist schon, wie sagen Sie, ein Mysterium, stimmt`s?!

 

Es ist eine Frage des Glaubens und vielleicht will…

 

Ich weiß auch nicht, was der vielleicht will, wenn er Sie, Eure Heiligkeit, mit mir zusammentut.

 

Ein Organisationsfehler!

 

Gott ist unfehlbar. Seine Wege …

 

 „Seine Wege …“ und jetzt warten Sie genauso wie ich, um abgeholt zu werden.

 

Keine Angst. Gleich wird sich alles aufklären.

 

Ich habe keine Angst. Verflucht nochmal. Und ich … Habe ich eben geflucht?

 

Ich habe Angst. Eigentlich schon immer. Das letze Mal hatte ich Angst, als ich mir den Gürtel um den Hals gebunden hab! Ich konnte nicht mehr die ständigen Gedanken an Kinder in meinem Kopf ertragen. Sie wollten nicht aufhören, diese Gedanken. Immer, wenn ich ein Kind sah … Und wenn das Leben die Hölle ist, dann ist die Aussicht, in die Hölle zu kommen, gar nicht mal so schlimm!

Und siehe, hier bin ich!

 

Hier ist nicht die Hölle. Sie sind ja da. Oder … Oh mein Gott: Sie … auch?

 

Nein! Ich nicht! Und hier ist nicht die Hölle! Ich warte und werde bald abgeholt.

 

Beten Sie wieder?

 

Ja!

 

Sie meinen, das hilft?

 

Ja! Und ich schließe dich mit ein.

 

Danke! Das ist nett. Kann ich was für Sie tun?

 

Nein, vielen Dank!

 

Fertig?

 

Mit was?

 

Dem Beten.

 

Noch nicht!

 

Jetzt?

 

Ja!

 

Während Sie gebetet haben, habe ich mir ein paar Gedanken gemacht. Ich war nicht immer schlecht. Ich ging als Kind oft in die Kirche. Da roch es so gut nach dem Weihrauch und ich fand die kleinen Engel so hübsch. Zu Weihnachten habe ich gespendet und zwar den SOS Kinderdörfern!

 

Ich weiß doch auch nicht, warum wir zusammen sind!

 

Zusammen warten!

 

Das reicht doch nicht, das Spenden für die Kinderdörfer, um die Ewigkeit mit dem Papst zu verbringen. Oder? Das kann doch nicht meine Strafe sein.

Tut mir leid. Wir beide zusammen, der Papst, und Franz Stellig, der Selbstmörder und Kinder … Ich bin genauso verwirrt wie Sie.

Es muss ein Fehler sein. Ich muss in die Hölle und Sie in den Himmel. Vielleicht ist gerade viel los und …

 

Ich bin Papst, war der Stellvertreter Gottes und es ist nicht zu viel los im Himmel. Ich habe den Menschen geholfen, ihr Leben gottesfürchtig und nach seinem Willen zu leben. Auch ich bin ein Kind Gottes und jetzt bin ich hier, … „Lasset die Kinder zu mir … Lass mich zu dir…“ Jetzt. Bitte.

 

Das habe ich mir auch immer gedacht.

 

Was?

 

„Lasset die Kinder zu mir …“

 

Arschloch! Oh Gott! Vergib mir.

 

Nicht so schlimm, Sie haben es ja nicht bös gemeint!

 

Natürlich habe ich das nicht bös gemeint. Ich bin Papst und ich kann gar nicht böse sein, denn der Heilige Geist ist immer bei mir…in mir … immer… irgendwie… da… auch jetzt in dieser schweren Stunde…

 

Und ich bin nur ein Kindermörder und ich habe es auch nicht bös gemeint. Ich konnte nur nicht anders. Und schade, dass das eine schwere Stunde für Sie ist. Ich für meinen Teil freu mich, mit dem Papst „zu warten“. Auch wenn er ein wenig unleidlich ist.

 

Ich habe es bös gemeint.

 

Selber Arschloch. Jetzt sind wir Quitt. Jetzt war ich auch ein wenig böse zu Ihnen, Herr Papst und jetzt ist alles wieder gut.

 

„Herr Papst…. ?“ Ich glaube, wenn man tot ist, ist man kein Papst mehr und schon gar nicht sein Stellvertreter.

 

Wer sind Sie dann?

 

Ich weiß es nicht. Ich weiß zum ersten Mal nicht, was er von mir will.

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sein Wille war, dass wir hier gemeinsam “warten“. Und jetzt  kommen sie mir nicht mit „Gottes Wille …“.

 

Glaube ist die Antwort!

 

Das ist so eine Sache mit dem Glauben. Glauben heißt ja „nicht wissen“. Das hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Ich habe gehofft, von ihr abgeholt zu werden. Ich habe mich so sehr auf sie gefreut. Nichts für Ungut Herr Papst, auch wenn ich Sie sehr nett finde…!

 

Mit Ihnen hier zu sein ist aber auch sehr schön. Wer hat denn schon die Möglichkeit, sich mit einem Papst zu unterhalten und ihn … etwas zu fragen.

 

Eine Frage an mich?

 

Ja!

 

Wie mag er wohl aussehen?

 

Wer?

 

Gott?

 

Gott hat keine Gestalt, wie wir uns das vorstellen, Gott ist … Besser, du stellst keine Fragen an mich. Ich weiß gar nichts mehr.

 

Ich hab mal gelesen, dass Gott überall ist. Also auch hier. Und weil wir jetzt beide tot sind und zusammen, sind wir vielleicht im Himmel!

War nur Spaß! Ich im Himmel … wirklich, so unergründlich sind seine Wege nun auch wieder nicht.

 

Vielleicht ein Scherz!?

 

Gott macht keine Scherze. Er prüft den Glauben.

 

Sie sind Papst, ihren Glauben braucht man doch nicht prüfen.

 

Da kommt jemand. Ich werde abgeholt.

 

Oh Gott hilf! Es ist ein Kind!

 

Natürlich! Denn „Lasset …“

 

Verstehen sie denn nicht … ein Kind. Wir sind in der Hölle! Bis in alle Ewigkeit werde ich es sehen müssen. Alles … aber nicht das!

 

Es ist da, um mich zu holen!

 

Hallo, ich bin der Emil, bin acht Jahre alt und wurde gerade von einem Bus überfahren. War auch schon beim lieben Gott und der hat mich gefragt, ob ich ihm den Franz bringen kann. Er müsse ihn was fragen!

 

Er will ihn richten!

 

Nein! Fragen!

 

Was?

 

Weiß ich nicht!

 

Nun sag schon!

 

So lassen Sie doch den armen Bub! Wenn Gott mich was fragen will, dann soll er auch eine Antwort bekommen! Also Emil, lass uns gehen und ich verspreche dir, ich werde nicht so lieb zu dir sein wie zu den anderen. Wir gehen ja jetzt in den Himmel.

Herr Papst … ich sag ihm, dass Sie da sind und auf ihn warten!

 

Das ist wirklich nicht nötig!

 

Das mache ich doch gerne für einen Leidensgenossen!

 

Ich … leide nicht … und es ist wirklich nicht notwendig, dass du es ihm sagst … vielleicht nicht direkt sagen.

 

Machen Sie sich keine Sorgen, ich bin sehr geschickt in so was. In „unverfänglich sein“ bin ich ganz groß. Ganz unverfänglich werde ich die Sprache auf Sie bringen. Bin gleich wieder da.

 

Ich glaube nicht, dass ich dich wiedersehen werde.

 

Sie meinen: Vom Himmel in die Hölle. Ohne Abstecher. Ich sag es ihm trotzdem. Dann weiß er wenigstens, dass Sie da sind.

Wenn es ein Irrtum ist oder er Sie vergessen haben sollte, kann er den Fehler, ohne großes Aufsehen, ausbügeln. Also Emil, lass uns gehen!

 

Allein, wieder allein!

Auf meine Knie will ich sinken und beten!

Vater unser der du bist im Himmel – ein Kindermörder – geheiligt werde dein Name – der sich selbst umgebracht hat – dein Reich komme – und ein Kind holt ihn ab – wie im Himmel so auf Erden …

Im Himmel kann ich nicht sein und auf Erden auch nicht. Bleibt nur die Hölle! Ein Papst in der Hölle wäre doch die Sensation und der Teufel wäre schon längst da, um sich an meinem Anblick zu weiden.

Da kommt jemand … es ist … Franz?

 

Hallo Herr Papst, so sein Sie doch nicht traurig, dass ich wieder da bin. Es hätte schlimmer kommen können!

 

Du bist der Teufel!

 

Ich glaub`s nicht, der Heilige Vater kann witzig sein!

 

Was hat er dich gefragt?

 

Wie Brombeeren schmecken?

 

Was?

 

Er fragte nach dem Geschmack von Brombeeren!

 

Das ist witzig!

 

Hochallerwürdigster, vergessen Sie sich nicht!

 

Er fragt einen Kindermörder, wie Brombeeren schmecken und das soll nicht witzig sein!?

 

„Gottes Wege sind unergründlich“, das habe ich von Ihnen gelernt!

 

In Demut liege ich darnieder und bitte um Verzeihung!

 

Das klang aber nicht ehrlich.

 

Das nennt man Sarkasmus!

 

Dass Sie mich so ein wenig von oben herab behandeln, hab ich nicht verdient, zumal ich wegen Ihnen nachgefragt habe.

 

Und was hat er gesagt?

 

Frag ihn doch auch mal, ob er Brombeeren mag!

 

Ich mochte sie schon immer. Schon von frühester Kindheit an. Selbst als ich im Vatikan lebte, schickte ich manchmal, zugegeben auch mal spät abends, jemanden, um mir welche zu besorgen.

 

Und dann die blaue Zunge, die konnte man dann rausstrecken und…

 

… meine Mutter schimpfte immer, wenn ich dann mit herausgestreckter, blauer Zunge durch die Straßen lief.

 

Schön, dass Sie sich freuen können, Herr Papst!

 

Ich mag auch meine Mutter sehen!

 

Ich weiß! Ich hab mir das alles auch ein wenig anders vorgestellt!

 

Hat er noch was gesagt!

 

Nein!

 

Wirklich nicht!

 

Nein, aber er schien sich zu freuen, dass mir Brombeeren schmecken.

 

Ob er böse ist, weil ich sie immer vom Strauch unseres Nachbarn gestohlen habe!

 

Das glauben Sie doch nicht wirklich, oder?

 

Ich bin Papst und ich darf mich nicht so erschüttern lassen! Vielleicht werde ich nur in Versuchung geführt, von meinem Glauben abzufallen und zwar von … dir!

 

Sie haben recht! Ich war der Teufel, zumindest, als ich noch gelebt habe. Aber jetzt bin ich tot!

 

Und dennoch warst du vor mir bei ihm!

 

Ach! So spannend war das auch nicht. Er ist so eine Art Gefühl! Er fühlte sich sehr neugierig und wirklich interessiert an.

 

An Brombeeren!

 

Ja!

 

Warum nicht an Heidelbeeren?

 

Ich weiß es nicht! Vielleicht weil sie mir nicht schmecken? Und das war`s schon. Er war ein neugieriges Gefühl, mehr nicht!

 

Bist du enttäuscht?

 

Nur ein wenig. Aber ich will nicht undankbar sein. Ich glaubte, sofort in die Hölle zu kommen. Das alles hier ist eine riesige Überraschung für mich.

 

Und erst für mich! Ich bin der Papst und er will mich nicht sehen. Er hätte schon längst den Emil schicken können, um mich zu holen!

Du warst Mörder, als du lebtest und warst bei ihm.

Ich war Papst, als ich lebte und bin nicht…

 

Wie heißen Sie eigentlich? Und sagen Sie nicht Papst. Ich meine, wie hießen Sie, als Sie die Brombeeren des Nachbarn gestohlen haben?

 

Sie nannten mich Brombeer-Hansi!

 

Freut mich, dich kennenzulernen Brombeer-Hansi! Ich bin der Alles-auf-einmal-Fresser-Franz, weil ich sie immer alle auf einmal aufgefressen habe, die Brombeeren!

Und jetzt gehen wir, Du, der Hansi, und ich, der Franz, Brombeeren essen!

 

Wie soll das funktionieren?

 

Wir machen es wie Gott!

 

Untersteh dich Alles-auf-einmal-Fresser-Franz! Du sollst den Namen Gottes nicht achtlos aussprechen!

 

Aber nein, würde ich doch nie tun. Wir sind doch nach seinem Abbild gemacht und wenn er ein Gefühl ist, dann können wir auch fühlen, Brombeeren zu essen! Mmmmh … ich schmeck sie schon!

 

Du meinst wirklich, wir dürfen das?

 

Also, du wirst doch nicht sagen, dass Gott etwas Verbotenes tut!

 

Ich habe auch schon welche im Mund.

Du Alles-auf-einmal-Fresser-Franz … da kommt wieder jemand! Wir hätten es doch nicht tun sollen!

 

Das ist nur der Emil. Der holt mich jetzt endgültig ab!

 

Endgültig! Aber …

 

Ich geh jetzt in die Hölle. Mach dir keine Sorgen um mich. Schließlich:

Wer kann denn in der Hölle von sich behaupten, dass er mit dem Papst Brombeeren gegessen hat?

 

Und ich? Was passiert mit mir? Wohin gehe ich?

 

Du bist Papst, du kannst überall hin! Du hättest schon die ganze Zeit … hat er gesagt.

Jetzt schau doch nicht so, nun geh endlich in den Him…!

 

Man wird dir in der Hölle nicht glauben, dass du mit dem Papst Brombeeren gegessen hast!

 

Mit dem Brombeer-Hansi welche gegessen zu haben, ist auch was wert.

 

Wenn du magst, dann begleite ich dich noch in die Hölle, bevor ich …

 

Es wäre mir eine große Freude, Brombeer-Hansi!

Emil! Magst du mitkommen?

 

Es sind immer wieder die Brombeeren. Die sind mir besonders gut gelungen.

 

Ende

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