Happy Birthday, Joan Baez


Happy Birthday, Joan Baez

22.05.2016

 

Gestern Nacht lief auf arte +7 (23:40 Uhr) das Geburtstags-Konzert von Joan Baez im New Yorker „Beacon Theatre“ anlässlich ihres 75. Geburtstages. Es war ein Stelldichein von berühmten Größen und lebenden Legenden. Sie alle waren und sind noch immer „groß“ in dem, was sie am besten können und wohl auch am meisten lieben: in der Musik. Den Reigen der Künstler eröffnete David Crosby von „Crosby, Stills, Nash“ mit dem Duett „Blackbird“ von Lennon & McCartney. So alt wie Joan Baez, seine Hände in den Hosentaschen, steht Crosby ruhig und gelassen am Mikrophon, sein schlohweißes Haar schimmert im Rampenlicht. Eine Gitarre als Begleitung, ansonsten tragen nur diese beiden wunderschönen Stimmen den Text des Liedes und verzaubern auf ihre Weise das Publikum. Crosby wirkt wie ein weiser, alter „Häuptling“ der „First Nations“ und einmal scheint sein leicht zu Joan Baez gerichteter Blick bei der Strophe „…you’re only waiting for the moment to be free…“, sagen zu wollen: „Sieh‘ Joan, nun sind wir beide schon seit über 50 Jahren ‚im Geschäft‘, aber eigentlich ging und geht es uns wohl nur darum: wir wollten — jeder Mensch für sich genommen — nur frei sein…“ Vielleicht frei zu sein, das zu sagen und zu tun, was sie am besten können: Menschen begeistern. Mit ihrer je eigenen Musik. Und so war auch der Applaus des Publikums: begeistert. Diese Freude, dieser Glanz in den Augen des Publikums!

Auf David Crosby folgte Mary Chapin Carpenter. Vor vielen Jahren zusammen mit Joan Baez als junge, aufstrebende Künstlerin auf der Bühne, ist die heute 58-Jährige selbst ein mit Preisen geehrter „Star“ (u.a. 1990 Grammy in der Sparte „Country“, sowie CMA-Award als „Female Vocalist of the Year“). Carpenter singt mit Joan Baez einen Donovan-Song, den die berühmte Folk-Sängerin früher gerne mit ihrer bereits 2001 verstorbenen Schwester Mimi gesungen hat: „Catch the wind“. Es ist eine ganz persönliche „Widmung“ an ihre geliebte Schwester, wie es zugleich auch am Tage des eigenen Geburtstages die Erinnerung und ein „Andenken“ an ein Leben ist, das, einstmals einander vertraut, nun — viel zu früh — durch den Tod verloren gegangen ist. Aber die Erinnerungen an eine gemeinsame Kindheit und Jugend bleiben — in Joan Baez. Der Song-Text komprimiert all diese Momente auf wenige Zeilen und lässt sie für die Zuhörenden erlebbar werden: „Ah, but I may as well, try and catch the wind…“ Eine nachdenkliche Sequenz im „Walzertakt“.

Als nächstes Geburtstags-Geschenk betrat Mavis Staples die Bühne. Staples, 1939 in Chicago, Illinois, geboren, ist selbst eine Blues- und Soul-Legende und ist, was sie mit Joan Baez verbindet, seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sowie für die Einhaltung der Menschenrechte engagiert. Eine Stimme, so „schwarz“ und so stark wie ein doppelter Espresso. „Oh Freedom / Ain’t gonna let nobody turn me around“ — ein Song aus der Bürgerrechtsbewegung — den beide acapella singen und einem anderen, weltberühmten Gast widmen: Harry Belafonte. Harry Belafonte und etwa Sidney Poitiers, waren und sind noch immer überall dort aktiv, wo in den USA Menschen — seien es nun Afroamerikaner oder mexikansiche „Einwanderer“ — nicht zu ihren verbrieften Rechten kommen oder andersweitig diskriminiert werden, etwa weil sie arm sind. Sie lassen sich einfach nicht „umbiegen“ oder durch welche falschen Versprechungen auch immer „einkaufen“ oder „umdrehen“ („… nobody turn me around…“ — das zeitgemäße „concedo nulli“ des Erasmus von Rotterdam). Sie bleiben politisch und gesellschaftlich aktiv und benennen die herrschenden Missstände. Unerschrocken und mit sich selbst authentisch. Seit über 50 Jahren… Es sind auch diese Unerschrockenheit und dieser Mut, das eigene Leben für eine gute Sache zu wagen, die an die Szenen aus Joan Baez‘ eigenem, weltweiten Engagement erinnern: etwa während des Vietnam-Krieges und dem Flächenbombardement auf Hanoi („12 days under the bombs“, ab Weihnachten 1973), das Joan Baez nur knapp überlebte. Oder aber ihr riskanter Einsatz für Sarajevo (1993), wo sie unter dem Kreuzfeuer serbischer Heckenschützen in einer Fußgängerzone spontan „Amazing grace“ anstimmte…

So reihen sich in diesem Geburtstags-Konzert „Größen“ an „Größen“. Den Schlusspunkt setzt jedoch eine andere „lebende Legende“: Paul Simon. Sein Song „The Boxer“ bringt das gesamte Engagement all dieser Musiker nochmals „auf den Punkt“: auch wenn man „verliert“, wenn man „scheitert“, auch wenn man „stürzt“ und „fällt“, zuletzt bleibt da ein „Kämpfer“ stehen. Ein Mensch, der sich zwar bücken, nicht aber beugen kann…—

 

Und vielleicht ist das ja die eigentliche Größe all dieser Menschen: dass sie jen-seits von beruflichem Erfolg und jen-seits ihres materiellen Vermögens immer Mensch geblieben sind. Gegründet auf Werten wie Gerechtigkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, politischer Freiheit, Liebe, und einer weltumspannenden Menschenwürde stets verpflichtet. Menschen, die sie schon waren, lange bevor sie von einem weltweiten Publikum als „Superstars“ und „Megastars“ gefeiert wurden. Eben David oder Joan oder Mavis oder Paul — als Kinder, Jugendliche, vielleicht fünf oder auch fünfzehn Jahre jung…—

 

 

http://concert.arte.tv/de/joan-baez-live-new-york

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