Gedanken eines Serienkillers


Gedanken eines Serienkillers

Ich ärgere mich gerade ausserordentlich, denn die Leiche ist unpünktlich. Das liegt hauptsächlich daran, dass sie noch lebt. Die Umstände sind wieder einmal sehr ungünstig für meine Pläne. Ein toter Körper muss her! Bloss, so einfach sind Menschen heutzutage nicht mehr zu beschaffen, Pardon, zu erlegen. Dabei kocht mein Blut, die Finger jucken, das Herz rast!

Früher lief das alles besser! Diese forensischen Methoden erschweren mir mein Dasein immens. Vor fünfzig Jahren konnten meine Vorfahren gefahrlos jemanden erstechen oder erschlagen. Es genügte völlig, die Tatwaffe im nächsten Fluss verschwinden zu lassen. Und heute? Diese elenden Laborratten finden jeden noch so kleinen Fussel, auf dem schlussendlich deine Adresse steht. Nein, das Morden ist endgültig nicht mehr so entspannend wie ehedem! Die Zunft wird da neue Wege beschreiten müssen.

Aber diese tieftraurige Sichtweise nützt mir im Moment herzlich wenig, denn ich brauche jetzt ein Opfer, das ich genussvoll ins Jenseits befördern kann. Sofort! Seufzend lade ich meine Todesliste vom PC hoch. Ja, auch Serienmörder gehen mit der Zeit. Dazu die Netzwerke mit ihren göttlichen Informationen. Das Zeitalter der Computer hat definitiv seine Vorteile, wenn man es zu nutzen weiss.

Ich lese die Liste konzentriert durch, bis ein glückliches Lächeln mein Gesicht überzieht. Du bist es, denke ich beseelt und starre den Namen an. Ein Mensch, so überflüssig wie Durchfall, sticht mir ins Auge. Grinsend greife ich zur altbewährten Mordwaffe.

Nach ein paar Sätzen war der Kerl tot. Wunderbar! Ich hatte für meine Leser eine frühe Leiche! Sie lag fachgerecht zerlegt und herrlich ausgeblutet im Rinnsal. Das Autoren-Herz jubelt! Aber schon fährt mir wieder die Tristesse durch die Hirnwindungen. War das eben logisch? Kann ich die Polizei täuschen? Muss ich Beweise beseitigen? Wird mich meine Lektorin wegen einem Plot-Loch in der Luft zerreissen? Also wirklich, töten ist ein kompliziertes Geschäft. Das nächste Mal schreibe ich einen Restaurantführer, das ist einfacher.