Freie Presse in Amerika — oder doch lieber Trumps „Fake News“?


Freie Presse in Amerika — oder doch lieber Trumps „Fake News“?

…aus gegebenem Anlass…

16.08.2018

 

Mit dem heutigen Tage wehren sich 300 amerikanische Zeitungen — regionale, überregionale wie auch internationale Qualitäts-Zeitungen — gegen Trumps Invektiven und Lügen, dass sie, die „Freie amerikanische Presse“, der eigentliche „innere Feind“ Amerikas bzw. des amerikanischen Volkes seien. Trump hat dieser Freien Presse schon seit Längerem mit seinen volks-verhetzenden Tweets den Krieg erklärt (was sonst…—? Trump kann nur Krieg…). Nun ist es zwar lobenswert, dass sich die Freie Presse Amerikas in einer konzertierten Aktion gegen das lügenhafte Presse-Feindbild des amerikanischen Präsidenten zur Wehr setzt — schließlich ist seine Geisteshaltung dieBlaupause für alle anderen Autokraten dieser Welt — allein, was hilft dies noch…—? Denn die „50% plus eine Stimme“ der wählendenamerikanischen BürgerInnen (nicht: der amerikanischen Bevölkerung, die zahlenmäßig das Trump-Lager bei weitem überwiegt) hört schon lange nicht mehr auf echte Argumente. Weder wollen diese Trump-BürgerInnen wirklich etwas wissen, noch wollen sie Fakten und/oder Realität prüfen. Diese BürgerInnen wollen glauben. Und sie wollen nur all jenes glauben, das ihnen bereits vertraut und bekannt vorkommt; das in ihr krudes Welt-Bild und ihre prokruste Welt-Anschauung passt. Denn diese Gesellschafts-Gruppe hört ausschließlich auf ihr eigenes „Bauchgefühl“ aus Wut und Hass auf alles Andere als das je Eigene. Und Trump, das blonde Toupet mit angeklebtem „Like-It“-Daumen, weiß das. Er ist „ihr Mann in Washington“. Seit seinem Amtseid (20.01.2017) nutzt er die Geisteshaltung seiner „Follower“ („Thumbs up!“ means Trumps up!!), um Amerikas Demokratie umzubauen, Bestehendes und Bewährtes ab- und einzureißen, und ein „Neues Amerika“ im Sinne von Rassisten und Rechtspopulisten zu errichten. Einer Minderheit. Dieses„Neue Amerika“, das Trump und seine Follower errichten wollen, funktioniert jedoch nicht mehr über (politischen) Diskurs und den Austausch echter Argumente, denen ja überprüfbare Fakten zugrunde liegen müssten, sondern über emotionale Stereotypen (d.i. die Komplexität der Realität bewusst auf ein persönlich angenehmes Maß zurückgestutzt, heruntergebrochen…) und Lügen (d.i. eine bewusste Falsch-Aussage über einen Sachverhalt, mit persönlich intendierter Zielsetzung; vgl. z.B. „die Lüge vom Klimawandel“ [O-Ton Trump], so Trumps persönliche Meinung und jene seiner Unterstützer, wie etwa die NGO „CFACT“ oder auch „The Heartland Institute“ mit ihren internationalen Sektionen). Die „Echokammer“, in der sich sowohl Trump auf der einen, als auch seine Follower auf der anderen Seite befinden, ist eine „Blackbox“ aus Invektiven und einem Gespinst aus Lügen, das sich wechselseitig solange verstärkt und durch Vorurteile gegenseitig stützt und bestätigt, bis sie endlich zu unzerstörbarenÜberzeugungenwerden. Nun wusste aber schon Albert Einstein, dass es weitaus leichter sein würde, ein Atom zu spalten denn Vorurteile und Überzeugungen zu zertrümmern. Denn Überzeugungen, zumal dann, wenn sie „zu tiefst“ angelegt sind, bilden den Grund unserer Identität, unserer Persönlichkeit. Und wer möchte sich schon selbst demontieren oder gar preisgeben — in bloßen Standpunkten oder gänzlich…—? Daran hat sich auch im neuen Amerika des wahren Donald J. Trump nichts geändert. Die o.g. Zeitungen können folglich zukünftig schreiben und berichten, was immer sie wollen — die „50% plus eine Stimme“ der wählenden amerikanischen BürgerInnen wird ihnen keinen Glauben mehr schenken, da sie per se von der Falschheit des dort Berichteten „zutiefst überzeugt“ (Politiker-Jargon…) sind. En passant: Gleiches gilt übrigens in Deutschland für die rechtspopulistischen Anhänger der AfD (vgl. Björn Höcke, et al.) wie auch der Pegida-Bewegung um Lutz Bachmann. Deren Topos im Zusammenhang mit Freier Presse lautet: „Lügenpresse!“. Umgekehrt könnte der wahre Donald twittern, dass die Erde ein quadratisches Spiegelei sei und alle Follower zukünftig einen Tirolerhut zu tragen haben — das würden die Trumpisten sowohl glauben als auch sofort tun, da es von ihrem „Opinion Leader“, ihrem „War Lord“, „ihremPräsidenten“ so befohlen wurde (vgl. hierzu den realen Hintergrund des Romans „The Wave“ von Morton Rhue). Denn Trumps eigentliche Stärke liegt darin, seineWut und seinenHass (u.a. gegen jenes Amerika, das ihn persönlich zum Milliardär gemacht hat…), so zu lancieren, dass seine Anhänger diese Pseudo-Argumente, diese faktischen Fakes, als ihr eigenes Gefühl wahrnehmen können („Identifikation“) und, das Wichtigste, als wahrglaubenkönnen (Pseudo-„Realität“ einer sektiererischen, profanen Konfession; vgl. lat. confessiovon confiteor). Ihr politischer Glaube, ein realer Irrglaube, gründet in den gemeinsamen Überzeugungen, die Trump — wie ein geschickter Verkäufer oder Marketing-Stratege — ihnen zutwittert. Angebot (Trump) trifft Nachfrage („50% plus eine Stimme“) — „Echo“ (Meinung der Follower) wirft „Signal“ (Fake-Tweets als „Realität“) an „Sender“ zurück (Echokammer-Effekt). Anders gesagt: Man selbst und frau selbst fühlen sich selbst dadurch „besser“ (Aufwertung des eigenen Selbst-Bildes), sicherer, überzeugter, „im Recht“, im „Besitz der eigentlichen Wahrheit“ (wer Anderes denkt oder sagt ist im Unrecht, sagt Unwahres…), dass man das, was man / frau „schon immer gewusst hat“, was man / frau schon lange als eigenes Welt-Bild und eigene Welt-Anschauung in sichselbst trägt, durch Andere via Tweets etc.pp. ad infinitum bestätigt bekommt. Ein hermetisches Welt-Bild manifestiert eine hermetische „Denke“ bezüglich der „Welt“ als mitgeteilte und geteilte (to share, to follow) „Realität“. Anders als ein offenes Weltbild, das offen ist und offen bleibt für Korrekturen durch Fakten wie auch Argumenten von Anderen, möchte hiergegen ein hermetisches Welt-Bild in-sich geschlossen bleiben, dadurch harmonisch, ohne je in-Frage-gestellt zu werden. Trumps Follower glauben lügenhafte Welt-Anschauungen; sie möchten manipuliert werden. Menschen außerhalb der „Echokammer“ vertrauen jedoch auf faktisches, überprüfbares Wissen sowie den Austausch echter Argumente; soweit irgend möglich, wollen sie sich selbst „ein Bild von der Realität“ machen, wollen kritisch sein und dies auch bleiben. Eingenommene Standpunkte und Wissens-Irrtümer können und sollen korrigiert werden können. Hiergegen pflegen Echokammer-Menschen die Gemeinschaft von „Followern“, bilden mithin einen verschworenen „gärigen Haufen“ (O-Ton Alexander Gauland, AfD-Chef); Menschen außerhalb leben in offenen Bezügen (zur Welt) und Beziehungen (zu ihren Mit-Menschen) im offenen Dialog. Richtiges wird ihnen nicht „per Dekret“ verordnet, sondern Beweisführungen erwiesen.

Retour. Trumps Angebot richtet sich ausschließlich an die persönlichen Neigungen einer amerikanischen Minderheit, die er mit seinen Invektiven und Hass-Tweets punktgenau bedient. Er ist der wohl erste amerikanische Präsident, der ganz offen und bewusst ein Präsident einer rassistischen, rechtspopulistischen amerikanischen Minderheit und nicht Präsident aller Amerikaner sein will und dies folglich auch ist…— Dass hierbei jedoch Amerika und die amerikanische Demokratie als solche „verkauft“ bzw. nachhaltig geschädigt werden, bemerken seine Follower offensichtlich nicht (vgl. Trumps Wirtschafts-Krieg gegen China und dessen Folgen für Trumps Wählerklientel…). Und wenn sie dies dennoch merken sollten, so glauben sie weitaus lieber ihrem eigenen Bauchgefühl, ihren eigenen Überzeugungen, ihren eigenen Rache- und Hass-Projektionen.

 

Aber wir Anderen, die wir noch immer den Großteil der Öffentlichen Meinung ausmachen, wir, die wir lieber „Nachrichten“ einer Freien Presse lesen und investigativen Journalismus unterstützen möchten, wir, die wir echte Argumente von Tweet-Stereotypen und Fakten von Überzeugungen zu differenzieren wissen — nun, wir sollten unabhängige Zeitungen kaufen und lesen, sollten unabhängige Nachrichten-Sender schauen, sollten im Netz unabhängige und kritische Nachrichten-Blogs aktiv unterstützen und in den sog. „A-Sozialen Medien“ unbeirrbar Front gegen dort verbreitete „Fake News“ machen. Seien diese nun von Trump, Kaczynski, Orbán, oder Erdoğan gestreut worden. Denn es geht in dieser Zeit, exakt heute, einerseits um „Pressefreiheit“ und Demokratie, wie es anderer-seits zugleich auch um Realitäts-Bewusstsein versus Echokammer-Kommunikation und Blackbox-Weltbilder geht. Jeder und Jede sind gefordert, Zivil-Courage zu zeigen!

 

 

Verweise:

Berliner Zeitung, 16.08.2018

https://www.berliner-zeitung.de/kultur/-journalisten-sind-nicht-der-volksfeind–hunderte-us-zeitungen-schreiben-gegen-trump-31116794#

 

Übersicht der New York Times, 15.08.2018

https://www.nytimes.com/interactive/2018/08/15/opinion/editorials/free-press-local-journalism-news-donald-trump.html?action=click&pgtype=Homepage&clickSource=story-heading&module=opinion-c-col-left-region&region=opinion-c-col-left-region&WT.nav=opinion-c-col-left-region

 

Zum Phänomen der „Echokammer“, u.a.

https://www.boell.de/de/2017/02/08/filter-bubble-echokammer-fake-news