Faszination Amerika


Faszination Amerika

Ein Bericht von Johannes Chwalek

Am 20. November 2014 besuchte der langjährige Oberbürgermeister von Fulda (1970-1998) und Buchautor Dr. Wolfgang Hamberger das Gymnasium Mainz-Oberstadt. Vor dem Jahrgang 10 las er aus seinem Buch „Faszination Amerika. Biografie einer Freundschaft von der NS-Zeit bis heute“. Außerdem berichtete er über seine vielfältigen Erfahrungen als Zeitzeuge der NS-Zeit und Nachkriegszeit. Die einhellige Meinung der anwesenden Schüler- wie Lehrerschaft bestand darin, dass die Lesung Hambergers ein besonderes Erlebnis war, das in Erinnerung bleiben wird.

Der in Bensheim an der Bergstraße im Jahr 1930 geborene Wolfgang Hamberger musste wegen seines jugendlichen Alters nicht mehr zur Wehrmacht einrücken, aber um die Schrecken der NS-Herrschaft und des Krieges mit wachen Sinnen zu erleben, war er alt genug. Als sein älterer Bruder in Begleitung des Vaters während der Kriegsjahre Bensheim aus Sicherheitsgründen verlassen mussten, war der junge Hamberger „der einzige Mann im Haus“ und musste sich mit der Mutter um den Rest der Familie kümmern. Die Mutter schickte ihn am 27. Februar 1945 in der Frühe nach Mainz, um dort Verwandte abzuholen und nach Bensheim in (relative) Sicherheit vor den Bombenangriffen zu bringen. Zu dieser Zeit bereiteten sich in Südengland „400 Lancaster– und Halifax-Bomber, geschützt von 120 Mosquito-Begleitjägern“ darauf vor, nach Mainz zu fliegen und ihre Tod und Zerstörung bringende Last abzuwerfen. Der junge Wolfgang Hamberger geriet mitten hinein in das Inferno, wo es krachte, blitzte und donnerte und er eingehüllt war „in ohrenbetäubenden, taub und stumm machenden Lärm“; wo er sich befand „in einem von Blitzen und bizarren Lichteffekten ausgeleuchteten Kessel […] Kesselschlachten kennt die Front, in einem Kesselgrab wird Mainz beerdigt – wir mit ihm?“ – Bis heute weiß Dr. Hamberger nicht, wie er dem verheerenden Bombenangriff lebend entkam. In einem „Keller- oder Hauseingang“ verlor er die „Orientierung, meine letzte Kraft, allen Mut, jede Hoffnung, am Schluss die Besinnung.“

Die NS-Propaganda über die amerikanischen Soldaten wurde durch die Nachkriegserlebnisse Wolfgang Hambergers Lügen gestraft. Amerikanische Soldaten schenkten ihm Schokolade, halfen ihm selbstlos, als er auf einem Handkarren(!) den Sarg für den verstorbenen Großvater von Zwingenberg nach Bensheim transportieren musste, und zwei Soldaten freundeten sich sogar mit ihm an. So kam es, dass Hamberger einen Studienaufenthalt in den USA absolvierte und als Kommunalpolitiker im dauernden Gespräch mit US–Militärs und –Vertretern blieb. „Den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung feierte er mit Amerikanern an ‚Point Alpha’, dem heißesten Punkt des Kalten Krieges, als großen Sieg der Freiheit. Bald darauf nahm er bewegt Abschied von den einstigen Besatzern, die Deutschland zurück in die Gemeinschaft der zivilisierten Völker geführt hatten und den Deutschen zu guten Freunden und verläßlichen Partnern geworden waren“, heißt es im Klappentext seines Buches.

Der heute 84-Jährige erstaunte seine Zuhörer am Gymnasium Mainz-Oberstadt durch seine Rüstigkeit. Die Schülerinnen und Schüler konnten ihre Lebenssituation vergleichen mit der Wolfgang Hambergers, als er in ihrem Alter war. Das führte bei vielen zu Nachdenklichkeit. Der Besuch Dr. Wolfgang Hambergers war ein voller Erfolg. Er wurde mit viel Beifall verabschiedet.

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