Thomas Berger
ERFREULICH IST …
Man sagt ja gerade uns Deutschen nach, wir würden dazu neigen, an allem und jedem zu nörgeln, also als Kritikaster in Erscheinung zu treten. Das brachte mich auf die Idee, einmal darüber nachzudenken, was wirklich erfreulich ist. Und ich habe – erfreulicherweise – eine ganze Reihe von Punkten gefunden. Hier augenzwinkernd (!) eine Auswahl davon:
- Erfreulich ist, dass es Feindschaft gibt; denn, so sagt der polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec (1909−1966): „Ein wahrer Feind verlässt dich nie.“
- Erfreulich ist, dass die Anthropologen Sinn für Komik bewiesen, als sie unserem Menschentyp gleich doppelt Weisheit beschieden – Homo sapiens sapiens.
- Erfreulich ist, dass gerade unsere Zeit Genügsamkeit und Verzicht hochachtet. Wir stimmen damit dem italienischen Schriftsteller Cesare Pavese (1908−1950) zu, der erklärte: „Man erhält die Dinge, wenn man sie nicht mehr begehrt.“
- Erfreulich ist, dass Richter gegen Arroganz gefeit sind. Das zeigt die Sitte in der alten Türkei, unter ein Gerichtsurteil die Worte zu setzen: „Allah weiß es besser.“
- Erfreulich ist, dass wir keine Uhren brauchen. In diesem Sinne bemerkte François Rabelais (1494−1553), Geistlicher und Arzt, „die einzig wahre Zeitverschwendung sei es, die Stunden zu zählen“.
- Erfreulich ist, dass in unserer Kultur nur notwendige Dinge gekauft werden; denn „überflüssige Güter“, würden, wie der Regisseur Pier Paolo Pasolini (1922−1975) zu Recht betonte, „das Leben selbst überflüssig machen“.
- Erfreulich ist, dass in der Gegenwart Hetze als satanisch gewertet wird. Das passende Sprichwort dazu lautet: „Wen der Teufel treibt, der hat Eile.“
- Erfreulich ist, dass man, wie Literatur und bildende Kunst bezeugen, im Wasser eines Jungbrunnens ewige Jugend erlangen kann.
- Erfreulich ist, dass diejenigen, denen man vom Jungbrunnen nichts erzählt hat, wenigstens im bequemen Liegen und nicht im anstrengenden Stehen tot sein dürfen.