Ein Gespenst geht um in Europa — das Gespenst eines russischen Angriffskrieges in Europa, auf Europa!
Teil I, Der russische Angriffskrieg
25.02.2022 bis 09.03.2022
Anlässlich des russischen Offensivkrieges gegen die Ukraine unterbreche ich meine Blogreihe der politisch-toxischen Narrative und beziehe zu diesem „Überfall auf die Ukraine“ wie folgt Stellung.
Das sog. „Manifest der Kommunistischen Partei“ von 1848 beginnt mit dem einleitenden Satz: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.“ (s.h. MEW, Bd. 4, 61972, S. 459-493, Dietz Verlag, Berlin). Diesen Einleitungssatz können wir Heutigen, mit leichter Abwandlung des Nachsatzes, auf die vorherrschende „geistige Situation der Zeit“ (programmatischer Titel von Karl Jaspers‘) in Putin’s Russland anwenden. Und würden wir den an den Einleitungssatz anschließenden Textpassus dieser „programmatischen Schrift“ auch nur leicht verändern — etwa, indem wir Putin’s Propaganda-Narrative der „Umzingelung Russlands durch feindliche Staaten bzw. die NATO“ ersetzen würden, ferner seine hinlänglich bekannten Feind-Bilder, des weiteren die Namen der heutigen Akteure, Putin’s angeblich heroischer Kampf für „die gute Sache“ mit all seinen Verdrehungen einer propagandistischen Projektion als historische, faktische Realität, all seine völkisch-nationalistischen Lügen, etc.pp. — so wären wir doch sicherlich hocherstaunt darüber, wie zeitlos modern dieses „Kommunistische Manifest“ auch dieser Tage noch immer daherkommt. Allerdings, Putin’s „Rede an die Welt“ vom 23.02.2022 zeigte dies überdeutlich, hat er das ursprüngliche Manifest in ein völkisch-nationalistisches „Faschistisches Manifest“ russischer Ausprägung mit all seinen stereotypen Ausgestaltungen abgewandelt.
Doch was ist geschehen? Wladimir Putin, ein geistiger Urenkel Lenins, ein geistiger Adoptivsohn Stalins, zu Beginn seiner Karriere lediglich ein kleiner KGB-Offizier niederer Chargen im Brudervolk der DDR, heute jedoch der neue, allmächtige Zar eines „Großrussischen Kaiserreiches“, jener Wladimir Putin hat sich entschlossen, nicht länger Stellvertreter-Kriege in Lybien, Syrien oder Mali zu führen (dies waren lediglich Checks der verschiedenen Waffengattungen unter Kriegsbedingungen…), sondern aufs „Weltganze“ zu gehen, indem er die Zivilbevölkerung der Ukraine mit seinem brutalen Angriffs-Krieg überzieht, um sie „Heim ins Reich!“ zu holen. Ein europäisches Nachbarland, u.z. das flächenmäßig größte, ein souveräner Staat mit demokratisch gewählter Regierung und eine von Russland gänzlich unabhängige Nation. Ihr Kapitalfehler: Freiheit, Demokratie, Orientierung nach Westen. Nach der russischen Annexion der Krim (Feb. 2014), dem russischen Bürgerkrieg im Donbass (ab Apr. 2014), erneut ein eklatanter russischer Bruch des Völkerrechts. Nun also quasi ein „Anschluss Österreichs 2.0“ im Februar 2022, mit dem feinen historischen Unterschied, dass im März 1938 österreichische Nationalsozialisten diese Annexion gezielt und bewusst herbeigeführt haben — die Ukrainer jedoch nicht, weder hinsichtlich der Annexion der Krim, noch hinsichtlich des Donbass-Terretoriums, noch den jetzigen dreiseitigen Angriffskrieg Russlands auf ihr gesamtes Staatsgebiet. Da passt es gut ins völkisch-nationalistische Bild der russischen Regierung, dass Putin dem „minderwertigen Volk“ der Ukrainer seine Existenz-Berechtigung gänzlich abspricht und dessen Bevölkerung statt dessen „russifiziert“, also, um in der Nomenklatur des Rechtsextremismus zu bleiben: „umvolkt“. Seit Jahren kolportiert Putin selbst, aber auch seine Propaganda-Maschinerie, die „glorreiche Vision eines Großrussischen Reiches“, das zur alten Sowjetmacht aufsteigen wird, überstrahlt vom Glanz eines modernen Faschismus‘ russischer Prägung. Ein ideologisches Paradoxon: ein kommunistisch-faschistisches Zarenreich. Dieses Großreich erstreckt sich, so Putin’s Vision, von Wladiwostok im fernen sibirischen Osten über Murmansk im arktischen Norden, weiter über die kaukasischen Republiken im Südosten (Tschetschenien, Dagestan, Georgien, Aserbaidschan, Armenien, etc.pp.), bis an eine gedachte Linie entlang der Ostsee mit den Baltischen Staaten (Estland, Lettland, Litauen), den ehemaligen östlichen Mittelstaaten (Polen, Ungarn, Tschechei, etc.pp.), bis hinunter nach Rumänien, Bulgarien, Moldavien am Schwarzen Meer. Teile der älteren Bevölkerung, die die Ära Gorbatschow als „russische Apokalypse“ erlebten sowie Teile der russischen Jugend, die sich nun endlich wieder einer „historischen Mission“ verbunden fühlen — sie alle skandieren frenetisch das Putin-Motto der nationalpopulistischen Einheitspartei Einiges Russland: „Vorwärts!“. Vorwärts? Vorwärts wohin?! In den rückwärtsgewandten „Revanchismus“ der sowjetischen 1920er bis 1950er Jahre? Vorwärts, in einen leninistischen „Stalinismus“, mit Personenkult, „rotem Terror“, schwarzen Todeslisten, GULag-System, den stalinistischen „Säuberungswellen“, dem „Holodomor 2.0“ am ukrainischen Volk — heute womöglich zusätzlich ergänzt durch ein atomares Holocaustum (in Unterscheidung zum Genozid der jüdischen Shoah, „Holocaust“, bezeichnet der lat. Begriff Holocaustum ein restlos, ganz und gar zu Asche und Staub Verbranntes…)? Ist es wirklich das, was Putin’s Partei Einiges Russland final erreichen möchte…—? Oder soll es vielmehr vorwärts-rückwärts gehen, in den schier endlos weiten Raum der völkisch-nationalistischen Ideologien, dorthin, wo es als krude Welt-Vorstellung abermals ein „Heiliges Vaterland“ und „Blut und Ehre“ gibt, dorthin, wo es gemäß der kolportierten toxischen Propaganda-Narrative ein „Herrenvolk“ umzingelt von „Untervölkern“ gibt. Oder soll es vielleicht in gänzlicher Verdrehung aller historischen Tatsachen dorthin gehen, wo sich der russische Täter als „Opfer der NATO“ geriert und seine aggressive Eroberungspolitik euphenisch als „existentielles Recht auf Selbstverteidigung“ deklariert — man bedenke bei diesem „Opfer-Mythos“ folgendes: das flächenmäßig größte Land der Welt (über 17.000.000 Km2), ein „schlafender Riese“, der von Zwerg-Staaten an seiner Westflanke gänzlich „umzingelt“ wird, mit Armeen, deren Panzer nicht fahren, deren Luftwaffe nicht fliegen, deren Marine nicht in See stechen können, ganz zu schweigen von der „persönlichen Ausstattung“ der Soldaten*innen? Ein kapitaler Propaganda-Lapsus, gewiss. Aber vielleicht ist Russlands „Vorwärts!“ ja im Repetieren alter Propaganda-Lügen zu suchen, wie etwa jener, dass in Charkiw angeblich Massenvernichtungs- bzw. Biowaffen produziert worden sein sollen, die den russischen Offensivkrieg umso berechtigter erscheinen lassen sollen (Colin Powell lässt grüßen…). Aber vielleicht geht es ja genau genommen vorwärts-rückwärts dorthin, wo es laut russisch interpretierter Rassenlehre und gemäß pseudowissenschaftlicher Methode erneut ein in Werte-Klassen und Rängen abgestuftes Leben von „wertvollem“ nach „unwertem Leben“ gibt (vgl. die Pseudowissenschaft der sog. „Eugenik“)? Korrespondierend mit stereotypen Narrativen einer „Heim ins Reich!“- sowie „Blut und Boden“-Politik. Ist dies etwa der geistige „Ort“, wohin Putin’s Propaganda-Maschinerie alle „russischen Völker“ und Republiken führen will…—? Und möchte nicht Putin’s Propaganda-Narrativ in Verdrehung auch dieser historischen Realität, dass heute aus dem Georgier Josseb Bessarionis dse Dschughaschwili, Kampfname: Stalin, dem Schlächter sowohl am russischen Volk als auch an den Nachbarvölkern, mit all seinen systematischen Genoziden, in neuer propagandistischer Verklärung das fürsorgliche „Väterchen Russland“ erlogen wird? Kombiniert und verfeinert mit der toxischen Lüge von einem „Nazideutschland 2.0“ in der Ukraine. Ein ressentimentbeladenes Narrativ, das uralte, zu tiefst verwurzelte Ängste in der russischen Bevölkerung heraufbeschwört und bedient. Das eine wie das andere Welt-Bild zwar reine Propaganda-Lüge, gewiss. Aber Lügen hatten und haben in Diktaturen aller Couleur immer schon Hochkonjunktur gehabt, zumal dann, wenn sie den eigenen Großmachtinteressen des jeweiligen Diktators zweckdienlich schienen — und dies ja auch waren und heute noch immer sind. Vergessen wir in diesem Zusammenhang jedoch nicht, dass der historisch belegte Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 — in der Nazi-Propaganda beschönigend als „Unternehmen Barbarossa“ verharmlost — abermals Millionen von Toten sowohl in den Sowjetrepubliken als auch im heutigen Moskauer Zaren-Reich forderte. Kaum eine Familie in der Ukraine, in Russland, im Baltikum, etc. die nicht Söhne, Väter, Verwandte in dieser mörderischen Kriegs-Maschinerie verloren hatte. Da sitzen selbst nach 80 Jahren, und fast drei Generationen später, im kollektiven Unterbewusstsein der älteren Generationen sowohl berechtigter Schmerz und Angst als auch toxische Ressentiments tief, die dem heutigen russischen Diktator, Wladimir Putin, zweckdienlich sind. Umgekehrt hierzu Putin’s mantraartiger Helden-Mythos vom „Großen Vaterländischen Krieg“ mit seinem „Heiligen Sieg“ für das „russische Volk“, der an jedem 09.Mai, dem endgültigen „Sieg über Nazideutschland“, Jahr für Jahr als mediales Massenspektakel mit Militärparaden und völkisch-nationalistischen Kampfesreden inszeniert wird — der Moskauer Partriarch Kyrill I. spendet hierzu wohlwollend seinen geistlichen Segen. Jedoch tragen trotz aller Geschichtsflitterung manche dieser Propanganda-Narrative geradezu groteske Züge: der neue Zar, Wladimir Putin, ist unter völkisch-populistischer Maxime zurück auf seinem Zarenthron. Quasi als verschollen geglaubter Urenkel eines Romanows. Ein epischer Held vom Format eines verschlagen-listigen Odysseus, der nach Jahren der russischen Irrfahrt nun endlich sein Königreich zurückerobert und die „bösen Freier“ des Westens mit einem „Blutgericht“ vernichtend bestraft. Oder gleicht Putin doch nicht weitaus eher einem untoten Wiedergänger zweier antagonistischer russischer Protagonisten, wenn er einmal als Lenin-Stalin-Epigone, ein andermal als Zaren-Thronfolger auftritt? Und waren es denn nicht bolschewistische Kommunisten, die 1918 in einer Nacht- und Nebelaktion eben jenen Zaren Nikolaus II., aus dem Hause Romanow, samt seiner Familie vorsichtshalber liqidierten und in einem Wäldchen verscharrten, u.z. einzig aus der Angst heraus, er könne erneut seinen Zarenthron besteigen und die „glorreiche Kommunistische Revolution“ besiegen…—? Putin sozusagen als „Zar Nikolaus 2.0“, ein zeitgeistgemäßer Heilsbringer ambivalenter, historisch unvereinbarer Positionen? Kommunist, nationalistischer Faschist, Zar aus eigener Machtvollkommenheit, Realität gewordene „Quadratur ideologischer Kreise“…— So passt es in dieses Bild, dass heute durch Putin’s Gnaden erneut Stalinisten und Urenkel jener Romanows „im Zentrum der Macht“, im Moskauer Kreml, hoffiert werden, sei es nun als Apparatschiks oder aber als Oligarchen.
Quellen und Verweise
Karl Marx (1818-1883)
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Marx
Friedrich Engels (1820-1895)
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Engels
Manifest der Kommunistischen Partei, 1848, im Wortlaut
http://mlwerke.de/me/me04/me04_459.htm
Manifest der Kommunistischen Partei, 1848, im Überblick
https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_Kommunistischen_Partei
Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt: Lenin (1870-1924)
https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Iljitsch_Lenin
Josseb Bessarionis dse Dschughaschwili, genannt: Stalin (1878-1953) https://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Stalin
Wladimir Putin
https://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Wladimirowitsch_Putin
Wladimir Putin’s Welt-Sicht — ist’s bloße Parteipropaganda oder überzeugter Größenwahn?
https://de.wikipedia.org/wiki/Zur_historischen_Einheit_von_Russen_und_Ukrainern
Russisches Lagersystem, GULag
https://de.wikipedia.org/wiki/Gulag
Holodomor in der Ukraine, ab 1931
https://de.wikipedia.org/wiki/Holodomor
Russland
https://de.wikipedia.org/wiki/Russland
Föderale Gliederung Russlands
https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6derale_Gliederung_Russlands
„Blut und Ehre“ nach Alfred Rosenberg
https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Rosenberg
Eugenik
https://de.wikipedia.org/wiki/Eugenik
Sozialdarwinismus und Eugenik, bpb
Blut und Boden Ideologie
https://de.wikipedia.org/wiki/Blut-und-Boden-Ideologie
Ermordung der Zarenfamilie, 1918
https://de.wikipedia.org/wiki/Ermordung_der_Zarenfamilie