Die Debilität des Homo sapiens sapiens, Teil 2


Cut!: Obwohl wir über die o.g. Fakten informiert sind, nehmen wir, gemäß unserer je eigenen Persönlichkeits-Struktur, unterschiedliche Positionen zum Thema „Klimawandel“ ein. Die einfachste und oftmals geäußerte naive Position ist: „Was mir persönlich nicht gefällt, was mich beunruhigen könnte, was mir emotional Unbehagen bereitet, all das wird als „Lüge“, als sog. „Fake News“, abgetan. Auf diese Weise gibt es für mich keinen Klimawandel! Ich lebe lieber in meiner „emotionalen Wohlfühl-Bubble“ und der dissonanzfreien Echo-Kammer meiner persönlichen Unwahrheit weiter, als mich mit Fakten und der „Realität da draußen“ zu beschäftigen. Was schert’s mich?! Lieber nenne ich Fakten zum und die Realität des Klimawandels „Lüge“ und meine eigenen Lebens-Lügen „persönliche Fakten“ und „Wahrheit“ — so einfach ist das. Schließlich muss das Leben ja weitergehen!“ Die Folge dieser Geistes-Haltung: Überall dort, wo ich unausweichlich mit der Realität außerhalb meiner Person konfrontiert werde — d.h. sobald ich meine „Bubble“ und Echo-Kammer verlasse, um mich in der „analogen Welt“ zu bewegen — fühle ich mich existentiell  bedroht; fühle ich mich als „ohnmächtiger Looser“ und „Opfer“, da die analoge Welt anders „tickt“, als meine digitale „Wohlfühl-Oase“; fühle ich „Welt“ als existentiellen Angriff auf mein Selbst und mein Leben. „Welt“ gilt mir dann als „das übermächtig uns bestimmende Andere“ (Karl Jaspers). Jedoch: Einfach nur den faktischen Klimawandel und seine Folgen à la Trump, Bolsonaro, et al. zu leugnen und durch persönliche Lebens-Lügen zu ersetzen, gleicht einem Kleinkind, das beim Versteckspielen die Hände vor seine Augen legt und denkt, es sei dadurch für die Anderen unsichtbar geworden. Ergo: Selbst in einer Lebens-Lüge, sei sie nun binär kodiert oder aber äußerst komplex in der analogen Welt zusammen-gesponnen, lässt sich nicht ungestört und dauerhaft harmonisch leben. Lüge wie auch Faktizität haben ihren je spezifischen Preis.

Dieser Position konträr gegenüber befinden sich die Aktivisten*innen des Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes, nicht zuletzt die weltweite Bewegung „Fridays for Future“, die mit fundierten wissenschaftlichen Studien auf die heraufziehende Klima-Katastrophe hinweisen und ihr eigenes Leben den faktischen Anforderungen entsprechend, so gut es eben möglich ist, umgestalten. Sie halten Fakten und Realität für schwerwiegender als persönliche Neigungen und harmonische Gefühle. Ihnen steht das faktisch Richtige über dem persönlich Angenehmen; wissenschaftliche Wahrheit über persönlicher Lebens-Lüge oder Wohlfühl-Faktoren. Die Folge dieser Geistes-Haltung: Bei allen realen Rückschlägen und faktischen „Neins“ in-der-Welt (etwa Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, Juni 2017; Bolsonaros Entscheidung, den brasilianischen Regenwald systematisch abholzen zu lassen, 2018ff.), kämpfen sie weiter unbeirrbar für ihre Ziele, die sie als richtig und entscheidend in-der-Sache  erkannt haben. Unablässig werben sie neue Aktivisten, weltweit, und setzen so auf eine Veränderung der Denk- und Sichtweisen und in Folge davon, auf grundlegend nachhaltige Handlungs-Weisen der „global community“. Eine Welt. Eine Natur. Und darin: eine  Menschheit.

Ins Bild gefasst: Unser „täglicher Einkaufszettel“ ist sowohl unser „Stimmzettel“ (hinsichtlich der vorherrschenden Politik, der sozialen Gerechtigkeit, der Produktions-Methoden, der ökologischen Landwirtschaft, u.a.m.), als auch unser „Denk-Zettel“ für eine bewusste Verhaltensänderung bzgl. unseres Konsummaß-Indexes. Denn was wir verbrauchen und wieviel wir wovon verbrauchen — diese Wahl-Freiheit bleibt uns Verbraucher*innen bis dato erhalten. An diesem Punkt ließe sich der Homo sapiens tatsächlich „klug“ und „weise“ nennen, sofern er sich so verhalten würde, wie es die faktische Situation von ihm verlangte. Er wäre ein modernes Beispiel für das Theorem des „survival of the fittest“.

Aber leider ist unsere Spezies „debil“ geworden. Auch hierzu ein Bild, das mehr sagt, als tausend Worte: Stellen wir uns eine Balkenwaage vor. In der einen Waagschale befindet sich das Weltklima, in der anderen unsere gesamten Verbräuche. Nun ist Stand der Dinge heute, dass bereits im Juli 2019 die Ressourcen der Welt verbraucht waren (der sog. „Earth Overshoot Day“) und das Weltklima deshalb bedrohlich nahe an einem unumkehrbaren „Kipppunkt“ angekommen ist. Im Verlauf des Jahres 2019 werden wir fünf bis sechs Erden verbraucht haben. Das heißt, die „Verbrauch-Waagschale“ hat beinahe ihren maximalen Tiefpunkt erreicht. Dennoch ändern wir unser Konsum-Verhalten nicht, sondern packen immer mehr Nachteile in diese „Waagschale“ hinein, dabei hoffend, auf diese Weise die „Weltklima-Waagschale“ erneut ins Gleichgewicht zurückbringen zu können. Dieses Konsum-Verhalten nennen wir „Fortschritt“. Ein Fortschritt, von dem wir zutiefst überzeugt sind. Dennoch ein katastrophaler Irrtum, der seinerseits in einer fatalen Konsum-Lebens-Lüge gründet. Denn wir senken die Klima-Waagschale nicht dadurch, dass wir unseren Konsum ad infinitum steigern. Vielmehr müssten wir — beginnend mit dem Stand vom Juni  2019, und über die nächsten 20-30 Jahre unseren Verbrauch-Index auf diesem Niveau haltend — unseren Konsum um das Sechs- bis Zehnfache reduzieren, um das Weltklima in Zukunft auch nur annähernd in ein Gleichmaß zurückführen zu können. Der wirklich kluge und weise Mensch könnte seinen Irrtum erkennen und sein Verhalten korrigieren — angefangen bei „Lucy“ bis zum postmodernen Menschen des 20. Jahrhunderts konnten dies alle Hominiden. Der debile Homo sapiens sapiens unserer Epoche jedoch kann das Erforderliche ganz offensichtlich nicht vollbringen. Und anders als die indigenen Völker Nordamerikas, wird er voller Zuversicht den letzten Baum fällen und den letzten Bison töten, und bis zuletzt vollkommen davon überzeugt sein, dass man Geld doch essen kann (vgl. u.a. „Wir sind ein Teil der Erde“, Rede des Häuptlings Seattle an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Januar 1854; wiedergegeben in der Version von Henry A. Smith, 1887).

 

Der Eisbär in der Arktis, die Pinguine in der Antarktis, die Vögel des Himmels und die Fische der Meere — die Menschen an Land: sie alle  sind unentrinnbar eine  Schicksals-Gemeinschaft. Sie sind Weg-Gefährten. Gemeinsam unterwegs in die Zukunft, die bislang „offen“ war…—

 

 

Quellen und Verweise

 

„Immer noch eine unbequeme Wahrheit. Unsere Zeit läuft.“, 2017,

Dokumentation von und über Al Gore

https://www.3sat.de/film/spielfilm/immer-noch-eine-unbequeme-wahrheit-unsere-zeit-laeuft-102.html

 

https://paramount.de/immer-noch-eine-unbequeme-wahrheit

 

 

Bergsturz im Mannen-Massiv, Norwegen, 2019

https://www.nzz.ch/panorama/norwegen-instabiler-felsturm-donnert-endlich-ins-tal-ld.1507411

 

Ende der Tour de France am Col de L’Iseran, 2019

https://www.nzz.ch/sport/an-der-19-etappe-der-tour-de-france-spielen-sich-apokalyptische-dramen-ab-ld.1498597

 

Bergsturz nahe Bondo, Graubünden, 2017

https://de.wikipedia.org/wiki/Bergsturz_von_Bondo

 

erwarteter Bergrutsch nahe Brienz, Graubünden

https://www.nzz.ch/schweiz/buendner-dorf-brienzbrinzauls-wenn-der-berg-kommt-ld.1493970

 

Bergrutsch in Vals, Österreich, Dez. 2017

https://www.meinbezirk.at/stubai-wipptal/c-lokales/gigantischer-felssturz-in-vals-samt-weihnachtswunder_a2360896

 

 

WWF-Trailer zur Netflix-Doku „Our Planet“; Tod der Walrosse nahe Ryrkaipij

https://www.youtube.com/watch?v=JQJVEuWz-kA

 

Leben in der Antarktis

http://www.antarctica.ch/antarktislive/pinguine/index.html