Der weltweite Trump-Effekt
12.10. – 28.10.2018
In ihrer gestrigen Sendung (11.10.2018) fragt Maybrit Illner im Intro u.a., ob Donald Trump ein Vorbild werde (0,51 Min.) sowie eine Gefahr für Europa sei.
Nach etwa 10 Minuten wird der Washington-Korrespondent des ZDF, Ulf Röller, live hinzugeschaltet (09:05-14:24 Min.). Röller verweist u.a. auf die Instinkt-Sicherheit Donald Trumps, wenn er seineWähler zum Johlen und Grölen bringt, etwa durch Tabu-Brüche aller Art, wie zuletzt, als Trump in der Kavanaugh-Schlammschlacht das Vergewaltigungs-Opfer, Mrs. Christine Blasey Ford, öffentlich verhöhnte sowie zutiefst demütigte und mit diesem Verhalten den Trump-Mob im Saal zum „Kochen“ brachte.
Andere Sendung, selbes Thema: Donald Trump. In seiner Sendung vom 21.06.2018 hat Markus Lanz den Ex-FBI-Direktor James Comey zu Gast. Dieser weist in seinem Statement u.a. darauf hin, dass Donald Trump ihn eines Tages als FBI-Direktor zu sich bat und ihm unumwunden zu verstehen gab, dass er, Trump, von ihm, Comey, in Zukunft gelegentlich „Gefälligkeiten“ sowie „Loyalität“ erwarte. Comey nannte dieses Trump-Ansinnen „mafiös“, da Trump als „Mr. President of the United States“ ihm gegenüber wie ein sizilianischer „Pate“ dachte und sich auch so verhielt.
Beide Aspekte des Trump-Charakters sind doch sehr aufschlussreich. Ganz offensichtlich spaltet Donald Trump die amerikanische Gesellschaft in jene, die Tabu-Brüche aller Art favorisieren (ehemals insgeheim, solange sie sich vor sozialer Ächtung durch die Gesellschaft fürchteten; heute jedoch in coram publico, da sie sich durch den „mächtigsten Mann der Welt“ beschirmt, beschützt und bestätigt wähnen), die sich endlich an ihren „Feinden“, nicht nur den politischen — völlig legal — schadlos halten und sich rächen wollen: Die WutbürgerInnen und vor allem Hass-BürgerInnen der USA. Trump kehrt ihren seelischen Bodensatz an die bewusste Oberfläche ihrer Persönlichkeit, lässt sie beliebig nach seiner Pfeife tanzen und skandieren. Sein ganz persönlicher Trump-Mob. Sie wiederum freuen sich über die reale Aussicht auf legalisierte Femegerichte und Autodafé, auf legalisierte Lynch-Justiz und Gewalt jedweder Couleur als probates Mittel zur Erreichung ihrer rein persönlichen Ziele. In dieses Bild passen auch die Bombendrohungen an das New Yorker Hauptquartier des Senders CNN sowie gegen Hillary Clinton, Barack Obama, et al. (24.10.2018; Stand 20:00 Uhr; sowie der Anschlag auf die Synagoge in Pittsburgh, 28.10.2018). Derweil die Trump-Entourage ganz offensichtlich keinerlei Problem damit hat, jeden beliebigen Eid auf ihre Familien-Lügen-Bibeln zu schwören (siehe Mr. Kavanaugh), sofern dies nur der eigenen Karriere und dem eigenen Macht-Zuwachs nützlich ist…—
Diesem gesellschaftlichen Pöbel einer-seits steht anderer-seits die Mehrheit der amerikanischen Demokraten und Patrioten gegenüber, die nach wie vor auf Gemeinsinn und christlich-soziale, „zivilisierte“ mithin demokratische Werte setzen. Ein anderer Gast aus Maybrit Illners Gesprächsrunde, Jeffrey Rathke, schätzt die Verteilung von Wutbürgern zu Demokraten in der amerikanischen Gesellschaft auf etwa 40 : 60% ein. Also noch immer eine wütende, undemokratische Minderheit, die sich jedoch nur allzu gerne als die eigentliche Mehrheit des Staates geriert und sich zudem als die „wahren Patrioten“ fühlt.
En passant: An dieser Stelle sei nochmals an Elisabeth Noelle-Neumanns Konzept der Schweigespirale erinnert, in dem sie bereits in den 1970er Jahren u.a. den Werte-Wandel wie auch den Macht-Wechsel innerhalb einer Gesellschaft beschreibt. Aber auch, wie wichtig für einen Menschen seine unversehrte „soziale Haut“ ist, die „Mr. President Donald Trump“ bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit von seinen Gegnern und „Feinden“, etwa Mrs. Christine Blasey Ford, vor laufender Kamera so genüsslich „abhäutet“. Er genießt es in vollen Zügen, diese spezielle Art von öffentlichem, sozialem Rufmord ungestraft immer wieder vollziehen zu können und dafür nicht nur nicht geächtet oder bestraft zu werden, sondern vielmehr wie ein Popstar von seinem persönlichen Mob bejubelt und gefeiert zu werden. (Zu den Themen-Feldern Werte-Wandel, soziale Haut, etc.pp. siehe hierzu: E. Noelle-Neumann, Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung — unsere soziale Haut.1989, Ullstein)
Trump spaltet die Nation bis hinab in die einzelnen Familien und propagiert dabei Niedertracht, Zwietracht und Hass als die neuen „christlichen Leitwerte“ Amerikas. Deren Folgen sehen wir nun beinahe täglich in sich überstürzenden wie auch sich überbietenden Gewalt-Ereignissen. Über allem jedoch, was diese Drei — Niedertracht, Zwietracht und Hass — gleichsam zusammenfasst, propagiert er die Lüge als neues, moralisches Prinzip. Seinkategorischer Imperativ lautet: Lüge so eindringlich, unverschämt und platt, dass deine Lüge die Maxime jeglichen Handelns und damit allgemeines Gesetz werden kann. Man könnte an dieser Stelle nun ernsthaft fragen, ob denn der Trump-Mob nicht lesen kann und auch sonst kaum Bildung besitzt. Nun gut, nicht jeder muss Kants bahnbrechende Schriften (etwa seine Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, worin sich der „kategorische Imperativ“ befindet…) gelesen und dann auch noch richtig verstanden haben. Kants Sprache ist „alt“, seine Interpunktion für uns Heutige extrem schwierig (wer kann denn noch einen Satz-Sinn korrekt erfassen, sobald besagter Satz mehr als „Subjekt“, „Prädikat“, „Objekt“ umfasst…?), und überhaupt: Kant mit all seiner kopflastigen Vernunft war definitiv gestern… In Trumps Rudel zählt dagegen nur das Bauchgefühl. Eben die Wut und der Hass darin…— Und dafür reichen einige wenige, sich stets wiederholende Twitter-Zeichen. Eloquenz des argumentativen Vortrages war definitiv — gestern! Aber all diese Tiefgläubigen, all diese Bibeltreuen und Bibelfesten, all diese „good old guys“ und „wahren Patrioten“ mit ihren weißen Kapuzen und ihren selbstgebastelten Bannern und Kreuzen, worum sie sich in nächtlicher Stunde scharen, beten doch ganz offensichtlich noch immer oder auch: schon wieder, einen völlig anderen „Gott“ an, als eben jenen, von dem es im Alten wie auch Neuen Testament der Bibel an vielen Textstellen heißt, dass er langmütig ist, Fehler vergibt und sogar seine Feinde liebt…— (vgl. u.a. PS 64,4, oder PS 102,3; Mt. 5,44;). Aber ich vergaß: Diese Stellen sind zumeist ohne Bilder — wer von dem Trump-Mob könnte sie also verstehen…—?
Doch retour: Nach außen hin mag die Kavanaugh-Ernennung in den Supreme Court ein „Häppchen“ für die „Republikaner“ mit all ihren politischen Ultra-Facetten gewesen sein. Und „ja“, Mr. Kavanaugh mag zukünftig, genauer: „auf Lebenszeit“, im Supreme Court für die „Republikaner“ unliebsame Gesetze mit verhindern helfen. Aber dassind vergleichsweise „Kleinigkeiten“. Viel wichtiger ist doch, dass dieser Richter in einem persönlichen Abhängigkeits-Verhältnis zu seinem „Paten“, Donald Trump, steht (vgl. oben James Comey). Denn dieser hat jenen ins Amt gehoben. Sonst niemand. Und daswird jener diesem niemals vergessen; der wahre Donald wird dafür schon sorgen. Und weiter: sollte Donald jemals einen Richter mit persönlicher „Loyalität“ benötigen, z.B. weil er Frauen schon wieder an die „Piiiep“ gefasst hat, so kann er als Privatmannauf Kavanaugh und dessen „weitreichenden Verbindungen“ zählen. Da jedoch das Vergewaltigungs-Delikt im heutigenWashington unter Donald Trump nur noch als cura posterior gehandelt und behandelt wird (Bill Clinton hätte 1998 die sexuelle Lewinsky-Affäre fast noch das Amt gekostet!), ist davon auszugehen, dass der „blonde Pate“ mit anderen „Paten“ schmutzige deals ausgehandelt hat und dafür einen abhängigen, ihm ergebenen Richter benötigt. Aber natürlich: nur für„America first!“, nicht für sich als Privatier.
Aber auch das: Ist dieses ganze Trump-Geschwätz von „America first“ nicht nur eine einzige Verlade seines Hofstaates, seiner katzbuckelnden Hofschranzen, seiner hörigen Entourage sowie seines Twitter-Pöbels? Müsste es der Ehrlichkeit halber nicht wie bei Louis XIV. heißen: L’etat, c’est moi! Quasi Trumps persönliche Version eines postdemokratischen MeToo-Absolutismus? Und gleicht Trumps zerstörerischer Umbau der amerikanischen Demokratie nicht zudem verblüffend jener „Kirchenreform“, die Papst Alexander VI. (Pontifikat von 1492-1503), bürgerlich als Rodrigo Borgia bekannt, in die Wege leitete…—? Auch er ein „absoluter Herrscher“, der weder vor Gift- noch vor Ruf-Morden noch vor sonstigen Tabu-Brüchen zurückschreckte, als es um die Erreichung und sodann Sicherung seinesPontifikates ging. Und band nicht auch er seine Familie unmittelbar in seine Kirchen-„Geschäfte“ ein; wollte das Papst-Amtletztlich für den Borgia-Clan erbrechtlich sichern. Und auch er, der Mordbrenner und Gift-Mischer, stilisierte sich selbst nur allzu gerne zum „servus servorum“ seiner „Sancta Ecclesia“ („Diener der Diener“, also etwa: „ergebenster Diener“ der katholischen Kirche; einstmals Schlussformel offizieller päpstlicher Schreiben, etwa einer Bulle). Zwar geschah all dies in einer anderen Zeit, in einer anderen Epoche (ital. „Renaissance“). Dennoch mag James Comey dies in etwa implizit gemeint haben, als er hinsichtlich Trumps „Denke“ und skandalösem Selbst-Verständnis von „mafiös“ und „Loyalität“ der ihn Umgebenden sprach.
Zurück an den Anfang. Maybrit Illner fragte: Wird Donald Trump ein weltweites Vorbild? Ein klares „Ja!“. Er istbereits zum Vorbild geworden, u.z. bei den Anti-Demokraten, bei den Rechtspopulisten sowie den zukünftigen Diktatoren weltweit. Denn noch immer gilt im politischen Dunstkreis der Rechtspopulisten, dass „der mächtigste Mann der Welt“ — im „Westen“ gilt dieses Attribut dem amerikanischen Präsidenten; im „Osten“, je nach Sichtweise, entweder dem russischen oder aber dem chinesischen Präsidenten — das politischeMaß aller Dinge ist. Es steht jedoch inzwischen außer Frage, dass Trumps politische Tabu-Brüche schon längst das Passepartout für jedwedenTabu-Bruch liefern. Und dies nicht nur bei seinen amerikanischen Followern, dem Trump-Mob, sondern auch bei politischen, meist rechtsextremen Parvenüs weltweit. Siehe etwa den brasilianischen Präsidentschafts-Kandidaten Jair Messias Bolsonaro, der sich vom Soldaten (auch er einstmals ein „kleiner Gefreiter“…—?) bis zum Präsidentschafts-Anwärter hochgepöbelt und hochgemobt hat. Er sieht sich gerne als den „Donald Trump Lateinamerikas“. Auch er mit falschen Zähnen und pitbullartigem bissigem Siegergrinsen. Auch er ein Politiker mit „angeklebtem Like-It-Daumen“… Mit Twitter als politischem Sprachrohr und asozialen Medien als seine politischen Mehrheitsbeschaffer. Er verherrlicht öffentlich die Folterknechte der brasilianischen Militärdiktatur (1964-1985) und verspricht seinen WählerInnen „politische Säuberungen“ zwecks Errichtung einer Bolsonaro-Diktatur. Er wird die Stichwahl gegen Fernando Haddad am heutigen Sonntag sicher gewinnen.
Aber nochmals: Meines Erachtens ist es unerheblich, ob das Toupet nun blond oder aber graumeliert und ob die Zähne nun echt oder aber so falsch wie der Glorienschein dieser Schein-Heiligen Unheilbringer ist. Viel ernster ist doch der rasante Verfall der Demokratien weltweit in den letzten eins, zwei Jahren, u.z. in eben die selbeRichtung: nämlich rechtsextrem, nationalistisch und diktatorisch. Die Wählerinnen und Wähler solcherVolkstribunen sind doch eigentlich jene, die von jeglicher „Demokratie“ die Schnauze gestrichen voll haben. Sie sind es doch, die alles Erdenkliche daransetzen, dass nicht nur die jetzigen Politiker als AmtsinhaberInnen ausgewechselt sollen, sondern ineins mit diesen auch die Demokratie als Staatsform weggefegt werden soll. Die Wut- und Hass-BürgerInnen weltweit. Wie ließe sich diese neue-alte Staatsform am trefflichsten charakterisieren? „Diktatur des Hass-Proletariats“
Quellen
maybrit illner spezial(11.10.2018)
Oberster Gerichtshof der USA, Supreme Court
https://de.wikipedia.org/wiki/Oberster_Gerichtshof_der_Vereinigten_Staaten
Mitglieder des Obersten Gerichtshof der USA
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Richter_am_Obersten_Gerichtshof_der_Vereinigten_Staaten
Markus Lanzinterviewt James Comey (das Original-Interview ist leider nicht mehr in der ZDF-Mediathek aufrufbar)
https://www.youtube.com/watch?v=1p78JThV3Gk
Abstract zu Comey-Interview
ZDF info, 25.10.2018, 22:30 Uhr
Die Trumps — Aus der Pfalz ins Weiße Haus
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/die-trumps-aus-der-pfalz-ins-weisse-haus-100.html
ZDF info, 25.10.2018, 23:10 Uhr
Trumps Weg an die Macht