Der einzige aller Lehrer


Der einzige aller Lehrer

 

 

der docht tötet die flamme

keine weiteren liebhaber

das wasser tränkt die pflanze

gewährt mir ein blick in die charta

er bekam zwanzigtausend

erschieß tesla

er ging damit spielen und saufen

das war für alle besser

über meine nebensächlichkeiten weiß ich was ich wissen muss

und über beispielsweise steuern da weiß ich noch kein bisschen

also war das ein gänzlich logischer entschluss

niemals ein spiel spielen wo man die regeln kennt

man ist sonst unachtsam wenn

alle unsere ränkeleien hatten was von spieltheorie

noch ne partie?

was bist du jetzt, ohne mich

ich habe gehört du hast großen erfolg

was bin ich jetzt ohne dich

ich habe gelesen es gibt fische die leben zufrieden ganz unten im meer wo kein licht hinkommt

vater wird die rechnung begleichen

diese regeln gelten nicht für mich

ich habe ein schönes gesicht

und ich übe mich im schweigen

wenn du das alles von mir nimmst

bin ich nackt und dann?

und warum ich immer gewinn

ich kenn keinen dank

was bist du jetzt ohne mich

das letzte mal als wir sprachen

war es als wäre nichts geschehen

es ist tatsächlich nichts geschehen

du hast mir immer anekdoten erzählt

du hast wieder anekdoten erzählt

nichts hatte sich geändert

wir waren nichtmal nostalgisch

du standest da vorn am gartentürchen

hast noch etwas vorbeigebracht

wir haben gemeinsam im c-orchester gespielt

du hast es geschafft mich witzig zu machen

traf nie wieder jemand dem das gelang

ich hab dir alles erzählt was in meiner woche passiert ist, selbst was nicht ganz stimmte

du hattest ein anderes bild von mir

ich sah dich nochmal später im zug

aber ich setzte mich ganz weit weg

ich wollte das nicht kaputtmachen

20jahre alte ehen im freundeskreis meiner eltern brechen auseinander

der neue sommer ist 40 grad heiß

es ist ein trend leute vor züge zu schubsen

die vorzeichen einer großen apokalypse

gibt es denn eine kleine?

ZU MIR

finger fahren eine linie im staub

wenn du nach tradition suchst

dann wo blätter nur laub

wo gedächtnis statt buch

Einmal sagte ich zu einem Mädchen, es war vielleicht vor zwei Jahren, dass das Faszinierende an der Zukunft sei, dass niemand wisse, was zum Beispiel in vier Jahren sei – ich erwarte keine Absolution für diese wahrlich bahnbrechende Erkenntnis, mit heiligem Ernst vorgetragen. Sie hat nicht gelacht, sie wiederholte einfach in etwa das, was ich gesagt hatte. Vielleicht ist das jetzt genauso naiv, aber ich denke, ihre unspöttische Zustimmung lag vielleicht daran, dass wir beide zu diesem Zeitpunkt erstens die Zukunft für wirklich eine faszinierende Angelegenheit hielten und zweitens, dass wir vielleicht beide dachten, dass wir tatsächlich in 4 Jahren (dann/noch?) in einer gemeinsamen, vielversprechenden „Welt“ leben. Aber ich wollte mir generell abgewöhnen, mein altes Ich so abzuurteilen, weil das hat immer was von „Und jetzt bin ich soviel schlauer“ und keine Ahnung, vielleicht war ich ja damals eigentlich mit mehr Durchblick ausgestattet als heute und vielleicht bin ich jetzt grad falsch und wer weiß schon, was in 4 Jahren ist.

Dass ich mich zu alt fühlte, ist mir erst einmal vorgekommen. Soziologische Notiz an mich selbst: mit 19 Jahren nicht mehr die Wasserrutsche benutzen. Man fühlt sich dann nämlich ziemlich deplatziert – und es ist kein angenehmes Gefühl des Deplatziertseins. Mein ehemaliger Trompetenlehrer (ich lernte einiges von ihm) erzählte mir einmal, wie zwischen den beiden Familien einer Hochzeit Streit ausbrach und er mit seiner Band weiterspielte. Seine Erzählung hatte nichts von Schadenfreude (ich weiß nicht, ob sie die Setlist anpassten), aber man konnte ihm anmerken, dass diese Weise vom Deplatziert-Sein neben aller Ratlosigkeit und allem Mitgefühl eine positive Seite hatte: Wir haben damit nicht zu viel zu tun, wir werden unsere Instrumente in die Koffer packen und alles einladen, Trinkgeld und Zugaben/Wünsche fallen heute wohl aus. Wir sind hier emotional nicht involviert – Sie haben das Partyprogramm gebucht. Ungefähr dasselbe angenehme Gefühl war ein großer Bestandteil meiner Schulzeit: ja, ich bin nun mal hier. Man ist 17 und es ist keine freie Entscheidung, dass man Redox-Gleichungen aufstellen muss, aber gerade dieses Unfreiwillige macht einen unbeschwert. So als könnte man sich jederzeit zur Seite drehen und die vierte Wand durchbrechen und wie Stromberg sich darüber beömmeln, was das hier für ne absurde Scheiße ist und das alle anderen eh Alöcher sind. Deswegen habe ich viel getan, dass meine  Entscheidung für das, was dann wohl die Zukunft ist, nicht auf mich zurückzuverfolgen ist. Aber kann man ein ganzes Leben so führen, auf der Basis des „Ja, ich bin nun mal hier“?