Beiträge von Johannes Chwalek


Geborgen im Zeitenstrom. Haiku-Dialoge

Rezension: Jennifer H. Weber und Thomas Berger: Geborgen im Zeitenstrom. Haiku-Dialoge Fuldatal 2023 (edition federleicht)   Es ist noch zu berichten von einem liebevoll gestalteten Band mit dem Titel „Geborgen im Zeitenstrom“ und dem Genrehinweis „Haiku-Dialoge“. Jennifer H. Weber und Thomas Berger haben ihn verfasst; die Autorin steuerte zusätzlich siebzehn Tuschezeichnungen zweier Kraniche bei, die […]


Mädchen in der Stadt

Mädchen in der Stadt   „Ich esse zu Haus, nirgendwo will ich essen als zu Haus, Papa!“, ruft das Mädchen in der Stadt, stapft mit dem Fuß auf Asphalt.


Von immer mehr Volk

Von immer mehr Volk   „Im einundzwanzigsten Jahrhundert ist das nicht mehr zeitgemäß“, sagt der blasse Hagere mit Leichenbittermiene. Er gehört der Fraktion für Buntheit und Vielfalt an, wird jedoch von immer mehr Volk als Totengräber gesehen der Buntheit und Vielfalt des Lebens.


Wenn ich fort bin

Wenn ich fort bin, fragt niemand mehr; rasch bin ich fort. Vor mir und nach mir gings und geht’s im gleichen Stil. Wer also sollte fragen?  


Unbeschwerte Stunden des Erzählens

    Unbeschwerte Stunden des Erzählens – in meiner Jugend erlebte ich sie, ungefähr über zwei Jahre hinweg, als ich während der Schulwochen meinen Mentor aus dem Internat in seiner Pensionärswohnung besuchte und wir in zwei Sesseln um ein rundes Tischchen mit Tee und Gebäck saßen. Heute, gut fünfundvierzig Jahre später, werde ich, so hoffe […]


vor der kamera

vor der kamera   an der hauptpforte des konvikts steht das kind der großmutter tor und überall steht ehemals fröhlich springt das kind davon


kaum begriffnes sein

kaum begriffnes sein von einst in unsren herzen was rührt noch an die alt gewordnen tage – dein blick dein wort dein händedruck


ins schweigen ziehen

ins schweigen ziehen o du ruhe des grundes die freude versiegt am putze über das kind beugt sich die mutter herab  


der leopard trinkt

der leopard trinkt als ihn ein krokodil reißt und ins wasser dreht das elegante raubtier lebloses fleisch in der flut  


nicht zu leugnen ist’s

nicht zu leugnen ist’s müde bin ich geworden alter schwung versiegt von purpurglühnden jahren entsendet er mir grüße  


Aus stiller Schwärze

Aus stiller Schwärze Thomas Berger zu eigen   Stört dich die Helle? Schlaf gefällt sich im Dunklen, auch Silentium sei, dass aus der stillen Schwärze sich die lichte Tat gebiert.  


Ein Frühlingstag

Ein Frühlingstag wars, wir gingen am Konvikt hin. Ein Passant fragte: „Ist das Ihr Sohn?“ „Das wär‘ schön!“, sprachst du anschließend für dich …   Auf dem Weg bleiben, nun schon durch Jahrzehnte hin, und jeden Tag neu. Am Ende bin nicht ich es, der die Antwort geben darf.  


Fünfzig Jahre lang

Fünfzig Jahre lang   Fünfzig Jahre lang verwahre ich dein Geschenk. Zwanzig Jahre lang war es ehmals dein Besitz, bis du es mir übergabst.   Nun rücke ich vor in das nämliche Alter, als du dich trenntest von dem schönen alten Buch. Mich zu lösen, obliegt mir.


auf einer deiner

auf einer deiner letzten karten ist die schrift verblasst noch lesbar doch wohin es mit mir wird zeigt sich in aller klarheit  


Sehgewohnheiten

Sehgewohnheiten Im September 1971 verpackte der bulgarische Künstler Christo das Schloss, die Burgruine und Bürgerhäuser des Eifelstädtchens Monschau mit Plastikbahnen. In der Tageszeitung des Internats, die in Glaskästen ausgehängt wurde und die ich im Zeitfenster nach der Rückkehr von der Schule bis zum Mittagessen oder in der Freizeit nach dem Mittagessen bis zum Beginn des […]


Große und kleine Geschichten

Große und kleine Geschichten Teil III   Wie viel mehr ließe sich sagen, müsste gesagt werden! Während meines letzten oder vorletzten Internatsjahres las ich das Buch „Wir Untertanen. Ein Deutsches Anti-Geschichtsbuch“ von Bernt Engelmann. Die Perspektive von unten, die Engelmann wählte, gefiel mir, sie war zumindest unterhaltsam. Im Laufe der Jahre drängten sich Fragen auf […]


Große und kleine Geschichten

Große und kleine Geschichten Teil II   Die Moderne beginnt immer. Der Flugpionier August Euler (1868–1957) erhielt am ersten Februar 1910 den ersten Pilotenschein … Angeblich hat der russische Maler Wassily Kandinsky (1866–1944) 1910 in München das erste abstrakte Bild gemalt. Vielleicht war es aber auch erst 1913, und er hat sich die Freiheit zur […]


Große und kleine Geschichten

Große und kleine Geschichten Teil 1    Ich war drei Jahre und fünf Monate alt, als die Kuba-Krise, wie es heißt, die Welt in Atem hielt. Papst Johannes XXIII. gab sein Bestes, um das Ende der Menschheit in den Blitzstrahlen atomarer Vernichtung durch Gebete, Aufrufe und Diplomatie abzuwenden. John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow ließen […]