Äpfel statt Birnen
Freitags fällt es mir zu, die Einkäufe auf dem Wochenmarkt zu erledigen. Ich tue das nicht gerne, ehrlich gesagt. Wir könnten genauso gut die wenigen Dinge, die wir zum Leben brauchen, im Supermarkt einkaufen, das wäre sogar billiger, aber meine Frau besteht darauf, nur Obst und Gemüse zu essen, das direkt vom Erzeuger kommt. Das sei gesünder, meint sie. „Du arbeitest in der Stadt“, sagt sie, „da liegt es doch nahe, dass du alle Besorgungen übernimmst, die in der Stadt zu erledigen sind. Und den Wochenmarkt gibt es nun mal in der Stadt und nicht in unserem Dorf, außerdem bist du mit dem Auto unterwegs, wohingegen ich den Bus nehmen müsste, um in die Stadt zu kommen. Ich wäre mindestens eine halbe Stunde unterwegs, eine Tour, während du in zehn Minuten in der Stadt sein kannst.“
„Den Gang zum Markt nicht mitgerechnet“, hielt ich dagegen.
„Kein Mann, der etwas auf sich hält, mutet einer Frau schwere Einkaufstaschen zu.“
„Nein, sicher nicht.“
Ich fühle mich Diskussionen wie diesen nicht gewachsen, ich gehe ihnen sogar am liebsten aus dem Weg, wenn ich kann. Und so ist es dazu gekommen, dass ich freitags meine Mittagspause in einem Heer von unternehmungslustigen Markteinkäufern verbringe, die vor den bunten Verkaufsbuden mit ihren üppigen Auslagen kunstvoll dekorierter heimischer und südländischer Obst- und Gemüsesorten nach Herzenslust rempeln und stoßen und drängeln, auf der Suche danach, welcher Stand die aromatischsten Tomaten, den frischesten Salat, die saftigsten Birnen und Zitrusfrüchte bereithält.
Letzten Freitag aber, als ich, den akkurat geschriebenen Einkaufzettel in der Hand, wieder einmal unschlüssig von Marktstand zu Marktstand ging, tat ich plötzlich etwas für mich sehr erstaunliches. Ich zerriss den Zettel meiner Frau. Warum tust du das, fragte ich mich. Zuerst dachte ich, keine Ahnung, mir war nur so danach zumute, aber dann spürte ich, wie sich eine Leichtigkeit in meinem Körper auszubreiten begann, für die ich kaum Worte hatte, und ich dachte, jetzt wird aus dir ein Schmetterling. Meine Mittagspause neigte sich allmählich dem Ende zu, aber das bekümmerte mich nicht weiter. Mein Büro konnte warten.
Rund um den Marktplatz gibt es nette Cafes. Ich suchte mir einen angenehmen Platz
© Brigitta Dewald-Koch, Lion-Feuchtwanger Str. 13 a, 55129 Mainz
in einem Cafe mit Außenterrasse und beobachtete, derweil ich einen ausgezeichneten Cappuccino serviert bekam, den emsigen Armeisenhaufen vor mir, in dem ich so viele Freitage eine unbedeutende kleine Ameise gewesen war.
Obwohl die Sonne schien, wirkten viele der Marktbesucher verdrossen wie an einem kalten, nassen Herbsttag und schrecklich in Eile. Ich erkannte mich selbst in einigen von ihnen, und mit einem Mal musste ich, es mag eine Verschwörung zwischen Sonne und Cappuccino gewesen sein, lachen. Ja, ich lachte laut und vernehmlich, und ein paar Leute, die an meinem Tisch vorüber kamen, dachten wohl, mir sei etwas Freudiges widerfahren, denn sie lächelten nun auch. Ich aber lachte, weil ich mich an einer Vielfalt erfreute, mit der ich bis eben nichts anzufangen gewusst hatte.
Später kaufte ich herrlich rote Äpfel statt der gelben Birnen, die auf meinem Zettel gestanden hatten, eine Melone, aber keinen Feldsalat, grüne und schwarze Oliven, einen würzigen Bergkäse, eine Handvoll Steinpilze, sizilianische Strauchtomaten, nicht eine einzige Kartoffel, und auch keinen Blattspinat oder Sellerie. Von sanft lächelnden jungen Blumenverkäuferinnen ließ ich mich sogar dazu verführen, einen prächtigen Strauß samtig-roter Tulpen zu erwerben, dann fuhr ich pfeifend nach Hause.
Fortsetzung folgt