Thomas Berger
ÜBER DEN HÖLDERLINPFAD
Beitrag in: „Frankfurter Einladung. Großstadtleben, Heimat und Spurensuche“
Antheum Verlag 2024, S. 157
̶ AUSZUG ̶
AUF DEN SPUREN DES DICHTERS – der Hölderlinpfad
Meine Lieblingsstelle in der an bemerkenswerten Plätzen und Bauten reichen Stadt Frankfurt hat für mich eine besondere persönliche Bedeutung. Diese reicht beinahe ein halbes Jahrhundert zurück und wurzelt nicht am Main, sondern am Neckar im Süden des Schönbuch genannten Keuperberglandes. Denn dort, in der Universitätsstadt Tübingen, befindet sich das berühmte Stift, in dem seit der Einführung der Reformation in Württemberg evangelische Theologen herangebildet werden. Friedrich Hölderlin lebte von 1788 bis 1793 in dieser Bildungsanstalt.
Als ich selbst an der Eberhard Karls Universität studierte, und zwar ebenfalls Theologie, ging ich oftmals an dem Gebäude vorüber. Dabei verweilten meine Gedanken nicht selten bei dem Dichter, dessen Stellenwert zu seinen Lebzeiten kaum erkannt wurde. Oft fielen mir Verse aus seinen Elegien ein, der Wortklang berauschte mich in Gedanken, zum Beispiel: „Wie so anders ist’s geworden! / Manches, was ich trauernd mied, / Stimmt in freundlichen Akkorden / Nun in meiner Freude Lied; / Und mit jedem Stundenschlage / Werd‘ ich wunderbar gemahnt / An der Kindheit stille Tage, / Seit ich Sie, die Eine, fand.“
Sah ich einen Schwan auf dem Fluss unterhalb des Stifts dahingleiten, kamen mir manches Mal die Worte in den Sinn: „Mit gelben Birnen hänget / Und voll mit wilden Rosen / Das Land in den See / Ihr holden Schwäne.“
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