DAS OSTERKRANZ-TREFFEN


 

 

Thomas Berger, Das Osterkranz-Treffen
 in: Österlicher Gaumenschmaus. festlich vorbereitet, hrsg. v. Petra Pohlmann
Bad Laer 2022, S. 107

DAS OSTERKRANZ-TREFFEN

Alle aus der Familie waren, wie jedes Jahr, in Köln zusammengekommen: die Eltern Winfried und Klara, Tante Sophie und Onkel Bernhard, die Großeltern Georg und Anna − nur Julian, der Sohn und Enkel, nicht. Es war das erste Mal, dass in der vertrauten Runde einer fehlte. Die Stimmung war deshalb etwas gedämpft. Wie schön war es immer gewesen, sich um den Osterkranz zu versammeln! Und nun das: Julian, seit ein paar Monaten vermählt, war nicht da. Seit er den Verwandten seinen Entschluss, Martin zu heiraten, mitgeteilt und ihre kühlen Reaktionen vernommen hatte, lastete auf ihm der Eindruck, er sei fortan das schwarze Schaf der Familie.

Während des allgemeinen Geplauders ging Tante Sophie in die Küche, um den Kranz vom Kuchengitter zu nehmen. Aber sie hatte noch etwas anderes vor: Heimlich schrieb sie eine elektronische Nachricht. Dann ging sie ins Esszimmer zurück und erklärte, der Osterkranz sei noch nicht richtig ausgekühlt.

Eine halbe Stunde später klingelte es. „Wer stört da am Ostersonntag?“ fragte Opa Georg. „Keine Ahnung“, gab Sophie zurück. Klara öffnete die Haustür. Vor ihr standen Julian und Martin mit einem großen Tulpenstrauß. Wenig später bemerkte Sophie, verschmitzt lächelnd: „Das ist ja eine Überraschung! Ich glaube, jetzt ist unser Osterkranz fertig.“