Die Zeit der linksterroristischen Guerillas in Lateinamerika und Europa


Das Spektrum politisch-toxischer Narrative — Beispiele von linksextrem bis rechtsextrem, Teil III

Synopsis, Teil I.I,

linksterroristische Positionen in ihrem historischen Horizont — Lateinamerika und Europa, Fortsetzung zu Teil I

09.01.2022 bis 02.02.2022

 

Die Zeit der linksterroristischen Guerillas in Lateinamerika und Europa

Aufriss des historischen Horizontes

Auch wenn heute in Deutschland, Europa und weiten Teilen der Welt der Linksextremismus bzw. Linksterrorismus keine nennenswerte Rolle im politischen Alltag mehr spielt (vgl. u.a. BKA-Statistik, PMK — links —), so war er in den 1960er bis 1980er-Jahren doch eine der größten Gefahren für westliche Demokratien oder autoritäre Systeme in aller Welt.

 

In Zentral- und Lateinamerika organisierten sich überwiegend die marxistisch-leninistisch orientierte Guerilla-Einheiten der „FARC“, des „Sendero Luminoso“, „Frelimo“/“FMLN“, etc.pp., und führten mit ihren Unter- bzw. Splittergruppen teilweise über Jahrzehnte einen erbitterten „Freiheitskampf“ bzw. „Befreiungskrieg“ gegen rechtsgerichtete Militärjuntas oder rechtsgerichtete „demokratische“ Regierungen. Während die Guerilla meist von der Sowjetunion bzw. Mao’s China unterstützt wurden, wurden die rechtsgerichteten „Contras“ mehrheitlich von den USA/CIA unterstützt. Zentral- und Lateinamerika war in der Zeit von 1960-1990 der mit Abstand am stärksten von kommunistischen Guerillas infiltrierte Kontinent, der unter Guerillakriegen zu leiden hatte.

 

In Zentralamerika

Guatemala

So etwa während des Guatemaltekischen Bürgerkrieges, der von 1960 bis 1996 dauerte. In ihm kämpfte ein Bündnis linksgerichteter Guerillas, die URNG, gegen wechselnde, rechtsgerichtete Militärdiktaturen, die meist von den USA / der CIA unterstützt wurden. Schätzungsweise fielen dem Konflikt zwischen 150.000 und 250.000 Menschen zum Opfer, etwa sechs Prozent der Bevölkerung. Von den planmäßigen Massakern der regulären Armee sowie der paramilitärischen Truppen war die indigene Bevölkerung, zumeist Ethnien der Maya, am stärksten betroffen. Diese Massenmorde erreichten in den 1980er Jahren ihren Höhepunkt. Heutige Gerichte werten diese massiven Vergehen an der Zivilbevölkerung teilweise als Völkermord.

 

El Salvador

Politische Instabilität verbunden mit Massakern an der indigenen Zivilbevölkerung seitens der salvadorianischen Militärdiktaturen, Stichwort „La Matanza“, reichen im mittelamerikanischen El Salvador  bis in die frühen 1930er Jahre zurück. Ab 1970 gründeten sich verschiedene kommunistische Guerilla-Gruppen (u.a. die FPL, FAL, ERP, RN sowie die PRTC), die sich ab 1980 zunächst zur CPM zusammenschlossen, woraus sich nachfolgend die Guerilla der FMLN entwickelte. Die marx.-lenin. FMLN war ein Zusammenschluss von fünf Guerillaorganisationen, die den bewaffneten Kampf gegen das rechtsgerichtete Regime mit seinen „Todesschwadronen“, das von den USA mit Material und Ausbildern massivst unterstützt wurde, aufnahm. Ab Mitte der 1980er Jahre eroberte und kontrollierte die FMLN weite Teile von El Salvador. Der salvadorianische Guerillakrieg dauerte von 1980 bis zum Waffentstillstand 1992. Er forderte über 70.000 Tote. Nach 1992 wandelte sich die Guerillaorganisation in eine linksgerichtete Partei um. Ab 2004 stellte sie mit Unterbrechungen immer wieder den Präsidenten.

 

Nicaragua

In Nicaragua  kämpfte ab 1967 die linksorientierte FSLN gegen die rechtsgerichtete Somoza-Diktatur. Diese sicherte ihre Macht durch die sog. „Nationalgarde“ und paramilitärische Todesschwadrone. Wie alle Diktaturen Zentral- und Lateinamerikas wurde auch die Somoza-Diktatur massivst von den USA unterstützt (Stichworte: Contra-Krieg, Iran-Contra-Affäre). Dennoch gelang es im Juli 1979 den Sandinistas der FSLN sowie deren Verbündeten die Diktatur zu stürzen. Von 1979 bis 1990 regierte die FSLN als Partei Nicaragua. Danach regierte sie in Bündnissen das Land und stellte mit Daniel Ortega ab 2004 den Präsidenten.

 

Honduras

Während in den Nachbarstaaten überwiegend marx.-lenin. Guerillaorganisationen tätig waren, bildete Honduras  das Rückgrat für rechtsgerichtete „Contras“ und Todesschwadrone. Kommunistische Bestrebungen wurden in Honduras durch Spezialeinheiten der honduranischen Armee, wie etwa das Bataillon 3-16, brutal unterdrückt. Besagte Einheit wurde sowohl von der USA finanziell als auch von der CIA logistisch unterstützt sowie von argentinischen und chilenischen Folter-Spezialisten ausgebildet und trainiert. Sie diente in den 1980er Jahren diversen honduranischen Militär-Diktatoren zur Unterdrückung der Bevölkerung, etwa indem sie im Auftrag der Regierung politische Attentate auf Oppositionelle verübte, diese entführte, folterte und ermordete oder Regime-Kritiker bzw. Verdächtige „verschwinden“ ließ. Das Bataillon diente unter wechselnden Namen und Funktionen bis 2002. Manche seiner Führungsmitglieder wechselten 2006 in wichtige Regierungspositionen. Andere nahmen nach 2002 wichtige Schlüsselpositionen in der Ausbildung der honduranischen Polizei bzw. der Geheimpolizei ein.

 

In Lateinamerika

Kolumbien

In Kolumbien  lieferte sich die FARC-Guerilla seit 1964 einen erbitterten Kampf mit den kolumbianischen Streitkräften, rechtsgerichteten, paramilitärischen Gruppen (AUC) sowie den gegnerischen Drogenkartellen. Bis 2016 verloren in diesem Bürgerkrieg angeblich 220.000 Menschen ihr Leben, Millionen flohen in die Nachbarländer oder versuchten die USA zu erreichen. Ab 2017 begann die Entwaffnung der FARC-Guerilla und ein labiler Waffenstillstand trat ein. 2019 begann eine Splittergruppen der FARC erneut die Wiederbewaffnung ihrer Guerilleros. In einem Militäreinsatz kolumb. Streitkräfte wurde ihre Führungs-Ebene liquidiert.

 

Peru

In Peru  operierte der marx.-lenin.-maoistische Sendero Luminoso („Leuchtender Pfad“), der sich Ende der 1960er Jahre formierte. Sein Gründer war Abimael Guzmán, ein maoistisch geschulter Philosophieprofessor. Im Sendero-Guerillakrieg von 1980-1992 fanden angeblich über 70.000 Menschen, mehrheitlich aus der Quechua sprechenden, indigenen Landbevölkerung, den Tod. Guzmán und andere Führungskader des Senderos wurden im Sept. 1992 verhaftet, die Organisation nach und nach zerschlagen und schließlich 1994 bis auf wenige Kämpfer entwaffnet. Einen letzten massiven Schlag des peruanischen Militärs gegen die Guerilla führte 2013 zur Ermordung der beiden letzten Führungspersönlichkeiten des Senderos: Orlando Borda Casafranca und Martín Quispe Palomino.

Einzelne Splittergruppen des Sendero Luminoso zettelten 2011 erneut Aufstände in einigen peruanischen Provinzen an. 2015 befreite das peruanische Militär indigene Männer, Frauen und Kinder aus Sklavenlagern jener Senderos, die in der Hochanden-Region Valle de los ríos Apurímac, Ene y Mantaro (VRAEM), den Cocaanbau kontrolliert.

 

Uruguay

In Uruguay  kämpften von 1963 bis Mitte der 1970er Jahre die kommunistischen Guerillatruppen der Tupamaros, der Stadtguerilleros, MLN-T. Sie leiteten ihren Namen von Túpac Amaru II. (1738-1781), einem peruanischen Rebellen-Führer, ab. Auch das uruguayische Volksheer, das im 19. Jahrhundert für die Unabhängigkeit Uruguays und gegen die Kolonialmacht Spanien kämpfte, nannte sich in Anlehnung an den peruanischen Volkshelden „Tupamaros“.

Zunächst eher im Bereich kommunistischer AgitProp tätig, begannen die Tupamaros ab 1968 den bewaffneten Kampf in den Großstädten. Anders als kommunistische Guerillaorganisationen in den Nachbarstaaten, die die Fläche eines Landes zu infiltrieren suchten, organisierten sich die Tupamaros als „Stadtguerilla“. Sie spezialisierten sich auf Geiselnahmen, Entführungen sowie die Ermordung hochrangiger Persönlichkeiten der Militärdiktatur. Diese Terrorwelle erreichte 1970/71 ihren Höhepunkt. Jedoch bereits 1972 wurden entscheidende Führungspersönlichkeiten der Stadtguerilla verhaftet (u.a. deren Anführer Raúl Sendic), und die Bewegung massiv geschwächt. Ähnlich wie seinerzeit die palästinensische Al-Fatah gelang es den Tupamaros ihr ideologisches Konzept zu „exportieren“ und den Guerillakampf zu internationalisieren. So beeinflussten von 1969 an die Tupamaros maßgeblich die linksterroristischen italienischen „Roten Brigaden“, die deutsche „RAF“ sowie die „Bewegung 2.Juni“.

Nach dem Ende der Militärdiktatur 1985 beschlossen Führungskader der Tupamaros an demokratischen Wahlen teilzunehmen. Seit 2004 stellt ein linksgerichtetes Parteienbündnis die Regierung. Prominentestes Regierungsmitglied der ehem. Tupamaros ist José Mujica, der von 2005-2008 Landwirtschaftsminister und von 2010-2015 Staatspräsident war.

 

Chile

In Chile gründete sich im August 1965 die trotzkistisch-maoistisch orientierte MIR als linksradikale, revolutionäre Partei. Während der Regierung Salvador Allendes (1970-1973) stand sie diesem demokratischen Sozialismus zwar kritisch bis feindlich distanziert gegenüber, stellte aber auch aufgrund persönlicher Beziehungen zeitweise Allendes Leibwache. Nach dem Putsch durch General Augusto Pinochet etablierte dieser eine Militärjunta in Chile, die von 1973 bis 1990 regierte. Die MIR ging daraufhin in den bewaffneten Widerstand gegen das Militärregime und verübte von 1973 an diverse Anschläge und Attentate auf Regierungsmitglieder. Auch ein Attentat auf Pinochet selbst, 1986, ging auf das Konto einer linkterroristischen Splittergruppe, der FPMR. Allein, und dies gehört auch zur „ganzen Wahrheit“ der Ära Pinochet, die Militärjunta regierte Chile mit eiserner Hand in Form von Repressalien, systematischer Folter, politischem Mord sowie dem systematischen „Verschwindenlassen“ unliebsamer Personen (span. Desaparecidos, die Verschwundenen), so dass dem Regime weder eine zivilgesellschaftliche Opposition noch irgendeine linksgerichtete Guerilla ernsthaft gefährlich werden konnte. Nach eigenen Angaben der MIR starben in diesem „Freiheitskampf“ von 1973-1988 zwischen 1.500 und 2.000 ihrer eigenen Mitglieder. Nach Angaben der sog. „Valech-Kommission“, einer Wahrheitskommission, die 2001 vom damaligen chilenischen Präsidenten Ricardo Lagos einberufen wurde, und die 2004 ihren 638 Seiten umfassenden Abschlussbericht zur Folter in Chile vorlegte, wurden in der Zeit von September 1973 bis zum März 1990 in den Gefängnissen, Kasernen und Konzentrationslagern der Pinochet-Diktatur 27.555 „politische Gefangene“ inhaftiert; 94% davon einer systematischen Folter unterzogen. Die tatsächlichen Opferzahlen dürften jedoch einige 10.000 höher liegen. Bereits 1991 hatte sich die sog. „Rettich-Kommission“ mit den politischen Morden unter Pinochet — es sollen über 3.100 gewesen sein — beschäftigt.

 

Der nachfolgende Blogbeitrag wird exemplarisch einige der einflussreichsten kommunistischen Guerillaorganisationen in Europa vorstellen.

 

— Fortsetzung folgt —

 

Quellen und Verweise in der Reihenfolge ihrer kontextlichen Nennung

 

Bundeskriminalamt, Politisch Motivierte Kriminalität — links —, PMK

https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKlinks/PMKlinks_node.html

 

Die BKA-Statistik in tabellarischer Aufbereitung (2010-2019)

https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKlinks/PMKlinks_node.html;jsessionid=5C1C4AB14C657F12039FF314D5A251BF.live602#doc134604bodyText2

 

Bundesministerium des Innern und der Heimat, BMI

https://www.bmi.bund.de/DE/themen/sicherheit/extremismus/linksextremismus/linksextremismus-node.html

 

Dossier Linksextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, bpb

https://www.bpb.de/politik/extremismus/linksextremismus/264080/linksextremismus-in-der-deutschen-parteienlandschaft

 

EU-Terroristenliste

https://www.consilium.europa.eu/de/policies/fight-against-terrorism/terrorist-list/

 

 

Die Guerilla, wiki-Übersicht

https://de.wikipedia.org/wiki/Guerilla

 

Die bekanntesten Guerillaorganisationen Zentral- und Lateinamerikas

Die Hintergründe, (1960-1996)

https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/328288/mittelamerika-konfliktursachen

 

 

Die guatemaltekische Guerilla, URNG (1960-1996)

https://de.wikipedia.org/wiki/Guatemaltekischer_B%C3%BCrgerkrieg

 

Die salvadorianische Guerilla, FMLN (1980-1992)

https://de.wikipedia.org/wiki/Frente_Farabundo_Mart%C3%AD_para_la_Liberaci%C3%B3n_Nacional

 

Zur innerstaatlichen Situation El Salvadors

https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/330977/el-salvador

 

Die nicaraguanische Guerilla, FSLN (Gründung: 1961, Kampfhandlungen: 1975-1990)

https://de.wikipedia.org/wiki/Frente_Sandinista_de_Liberaci%C3%B3n_Nacional

 

Die kolumbianische Guerilla, FARC, (1964-2017)

https://de.wikipedia.org/wiki/FARC-EP

 

Die peruanische Guerilla, Sendero Luminoso, (1968; Kämpfe von 1980-1992; ab 2011 einzelne Aufstände)

https://de.wikipedia.org/wiki/Sendero_Luminoso

 

Die uruguayische Stadtguerilla der „Tupamaros“, MLN-T, (1963 bis ca.1973)

https://de.wikipedia.org/wiki/Movimiento_de_Liberaci%C3%B3n_Nacional_%E2%80%93_Tupamaros

 

Die Stadtguerilla in Lateinamerika (1963-1977)

https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtguerilla

 

Die Deutsche Stadtguerilla, die Tupamaros West-Berlin, TW, (1969/70)

https://de.wikipedia.org/wiki/Tupamaros_West-Berlin

 

Die chilenische Guerilla, MIR, (1965-1985)

https://de.wikipedia.org/wiki/Movimiento_de_Izquierda_Revolucionaria_(Chile)

 

Die chilenische Valech-Kommission, 2001

https://de.wikipedia.org/wiki/Valech-Kommission

 

Die chilenische Rettig-Kommission, 1991

https://en.wikipedia.org/wiki/Rettig_Report