Tipps für impulsive Schreiber: Wie kriege ich meinen Text fertig?


Tipps für impulsive Schreiber: Wie kriege ich meinen Text fertig?

 

Und zwar so, dass er wirklich gut wird? Diese kurzen Ausführungen richten sich an Autorinnen und Autoren, die, wie ich, nicht aus dem hohlen Bauch heraus plotten können. Will sagen, ich kann keinen längeren Text am Reißbrett entwerfen, sondern ich muss ihn mir erschreiben. Da ist eine Idee und zu dieser Idee entstehen während des Schreibens die konkreten Bilder. Aus den Aktionen der Erzählfigur formt sich ihr Charakter, aus einer hingeworfenen Situation kristallisiert sich der Schauplatz heraus, erste Beschreibungen und wörtliche Rede werden hingetupft und warten auf Ausformung.

Beim Plotten vollzieht sich all dies idealerweise im Kopf, bevor man zu schreiben beginnt. Bei mir ist es umgekehrt: Im Schreibprozess entsteht der Plot.

Kann das gelingen? Das erste Ergebnis ist in der Tat meist eine halbgare Angelegenheit.

Wie kann dies zu einem guten Abschluss geführt werden?

 

Wenn ich eine ganz neue Idee entwickle, schreibe ich oftmals mit der Hand. Der PC ist differenzierter, disziplinierter und rationaler als der Kugelschreiber im dicken Heft oder Buch. Also ist mit der Hand mehr Raum für impulsives Schreiben. Dadurch werden mehr Bilder aus meinem Inneren wachgerufen. Der PC ist dann der zweite Schritt. Die handschriftliche Erstfassung wird in die Textverarbeitung übertragen und dabei stark bearbeitet. Jetzt werden die Bilder konkretisiert und präzisiert, die wilden Assoziationen werden geordnet, Unstimmigkeiten und logische Brüche werden gekittet.

Die Erzählperspektive muss hier bereits ganz klar sein. Schreibe ich in der Ich-Form, dann ist alles durch meine Brille gefiltert. Schreibe ich in der Er/Sie-Form, stehe ich vor der Entscheidung, wie stark ich aus der Sicht meiner Figur schreibe und wie stark ich auch einen Außenblick auf meine Figur durch einen etwas auktorialen Erzähler zulasse.

Die Erzählperspektive muss durch den ganzen Text hindurch kohärent sein oder gezielt gewechselt werden. Das muss aber durch und durch geklärt sein.

Habe ich das erreicht, ist es aber meistens immer noch nicht gut.

 

Im nächsten Arbeitsgang konzentriere ich mich ganz sachlich auf die räumlichen und zeitlichen Bezüge. Ist alles richtig datiert? Stimmen die Lebensalter der Figuren? Sind die Schauplätze korrekt? Wo muss ich nachbessern? Gegebenenfalls recherchiere ich und füge die eine oder andere Information noch ein.

Durch diese Fakten ist mein Text jetzt noch schlüssiger geworden und nun fallen emotionale Unstimmigkeiten ins Auge. Ich feile jetzt an den Dialogen, bringe sie auf den Punkt, erfinde neues Beiwerk, damit es nicht zu knapp wird. Manche Szenen werden umgestellt,  Redundanzen werden herausgeschnitten.

Jetzt besteht aber das Problem, dass ich nicht zu allen emotionalen und psychologischen Faktoren meines Textes über mein bloßes Bewusstsein Zugang bekomme. Vieles brodelt in meinem Unbewussten, ist aber noch nicht verarbeitet oder geklärt. Ein guter literarischer Text sollte aber von Klarheit durchflutet sein. Was mache ich, wenn diese nicht erreichbar ist?

Die bittere Antwort: Ich muss meinen Text liegen lassen und vielleicht erst mal an einem anderen Projekt weiterarbeiten.

Wenn ich meine Arbeit allerdings abgeben muss, dann sollte ich mir Hilfe durch ein Zwischenlektorat oder zumindest durch eine/n Testleser/in holen. Durch das Gespräch über meinen Text wird mir auch manches klarer und ich kann meinen Stoff besser bewältigen. So funktioniert für mich übrigens auch Schreibwerkstatt: Ich schreibe einen ersten Entwurf und spreche dann mit anderen darüber, um Klarheit zu gewinnen.

 

Ein Projekt liegenlassen und an einem anderen arbeiten – wie geht das?

Bei mir immer mit Pausen und Puffern dazwischen. Nach einer intensiven Schreibphase bringe ich mich selbst wieder auf den Boden herunter, indem ich etwas ganz Funktionales mache, z.B. eine Excel-Tabelle mit Fahrtkosten ausfüllen. Dann gehe ich meinen Text noch einmal durch und verbessere Ausdrucks- und Formulierungsfehler. Danach gebe ich ihn aus der Hand, an einen Testleser oder eine Lektorin. Während diese sich damit beschäftigt, kann ich das andere Projekt hervorholen und aus der Distanz betrachten. Jetzt fällt mir bestimmt auch hier noch einiges auf, was ich verbessern kann.

Wenn ein Buch in Druck geht, hat dies natürlich Priorität. Aber durch das Verlagslektorat finde ich auch in diesen Text wieder rein und kann noch mal daran feilen.

 

Die Distanz zum Projekt ist auch wichtig, damit ich gezielt und treffsicher überarbeiten kann. Stecke ich zu tief drin, besteht die Gefahr, dass ich überkorrigiere, das heißt, zu viel glätte und die kleinen Unebenheiten und Vielstimmigkeiten, die meinen Text interessant machen, kaputtbügele.

 

Habe ich aber einen Text neu fertig geschrieben, bin ich ganz scharf darauf, ihn als Buch in den Händen zu halten. Bis dies der Fall ist, vergeht aber ein längerer Zeitraum, in dem ich meinen Text auch beiseitelegen und ihn vergessen können muss, um einem anderen Projekt, das eher dran ist, zunächst den Vorrang zu geben.